Die tiergestützte Psychotherapie wird in Deutschland noch nicht von den Krankenkassen anerkannt. Dabei ist ihre Wirkung oft beeindruckend. Die Kölner Diplom-Psychologin Anna Steinhausen-Wachowsky hat das schon gleich am Anfang ihres Berufslebens festgestellt. Traumatisierte Patienten können sich oft leichter dem Therapeuten öffnen, wenn ein Tier einen festen Platz in der Therapie hat. Anna Steinhausen setzt sich dafür ein, dass die tiergestützte Psychotherapie weiter erforscht, breiter angewendet und hoffentlich irgendwann auch von den Krankenkassen anerkannt wird. Zu diesem Zweck gründete sie die Stiftung für tiergestützte Therapie. (Text: © Dunja Voos, Bild: Therapiehund, © Anna Steinhausen-Wachowsky)
Ein Tier bringt Bewegung in den Therapieraum
Traumatisierte Menschen erscheinen äußerlich manchmal erstarrt. Innerlich jedoch sind die Erinnerungen an die Bilder, Gerüche und Stimmungen lebendig. Häufig drängen sie sich quälend auf. Doch die Betroffenen können oft nicht darüber sprechen. Sprachlos sitzen sie vor ihrem Therapeuten. Die Therapie geht zäh voran. „Ein Tier im Therapieraum kann mit seinem Interaktionsangebot dem Patienten helfen, aus dem Traumaschock herauszukommen, denn das Tier holt den Traumatisierten an der Stelle ab, wo ihn das Trauma hat stehen lassen“, so Steinhausen.
Tier und Mensch verstehen sich ohne Worte
Tiere spüren, wie es uns Menschen geht. „Wenn ein Patient kurz davor ist, zu weinen, es aber noch nicht kann, dann bemerkt mein Therapiehund das. Er bewegt sich auf den Patienten zu und unterstützt ihn. Zum Beispiel legt der Hund seinen Kopf in den Schoß des Patienten. Dann beginnt der Patient oft zu weinen und die Spannung löst sich.“
Diese Erfahrung hat Anna Steinhausen-Wachowsky mit ihren Patienten und Therapiehunden schon oft gemacht. Die Psychologin erklärt das so: „Tier und Mensch begegnen sich auf einer nichtsprachlichen Ebene. Durch den Kontakt zum Tier kommt der Patient auch wieder in Kontakt mit sich selbst. Traumata sind im sogenannten impliziten Gedächtnis abgespeichert. Der Patient findet keine Worte, sondern erinnert sich nur an die Körperspannung, an bestimmte Bewegungen, Haltungen, Bilder oder Gefühle. Steinhausen-Wachowsky erklärt: „Das Tier ist den Patienten dabei behilflich, die Inhalte aus dem impliziten Gedächtnis in das explizite Gedächtnis zu übertragen, sodass die Patienten über das Erlebte wieder sprechen können. Zudem kann das Tier als Ko-Therapeut im Therapieverlauf eine wichtige Rolle einnehmen. Als Dritter im Raum entspannt es die oft angespannte Situation.“
Traumatisierte Menschen begegnen Leid-erfahrenen Tieren
„Die tiergestützte Psychotherapie ist bei Traumapatienten besonders dann hilfreich, wenn auch das Tier Leid-erfahren ist, es zum Beispiel einfach im Tierheim abgegeben wurde“, hat Anna Steinhausen-Wachowsky festgestellt. Der Patient fühlt sich dann besonders mit dem Tier verbunden. Sein möglicher Gedanke: „Wir beide haben etwas Schlimmes erlebt, worüber wir nicht sprechen können.“ Der Patient hat das Gefühl, wortlos verstanden zu werden und kann selbst das Tier in seinem erlebten Leid gut zu verstehen.
Der Patient gelangt so aus der Opferposition in die Helferposition: Er möchte dem Tier helfen, damit es ihm besser geht. Der Patient wird wieder handlungsfähig. „Die Situation ist dann nicht mehr die, dass ein hilfloser Patient vor einem kompetenten Therapeuten sitzt, sondern dass vor dem Therapeuten ein kompetenter Patient sitzt, der dem Tier hilft – umgekehrt unterstützt das kompetente Tier durch sein Gespür den Patienten“, so Steinhausen. „Die tiergestützte Psychotherapie möchte dabei im Sinne einer Win-Win-Situation mit dem Tierschutz kooperieren – ‚interaktives Heilen zwischen Mensch und Tier‘ ist die Devise. Eine tiergerechte Behandlung der tierischen ‚Ko-Therapeuten‘ ist dabei immer zu berücksichtigen“, so Steinhausen.
Anna Steinhausens Hilfe-Stiftung “gemeinsam heilen helfen”
Die Psychologin Anna Steinhausen-Wachowsky ist selbst mit Tieren aufgewachsen und weiß, welche Wirkung sie auf den Menschen haben. Ihr Ziel ist es, die tiergestützte Psychotherapie in Deutschland zu fördern und zu etablieren. Ihre Hilfe-Stiftung „Gemeinsam heilen helfen“ ist eine eigenständige Unterstiftung der Stiftung „Gemeinsam Handeln“ des paritätischen Wohlfahrtverbandes.
Link:
Hier können Sie Psychotherapeuten finden, die tiergestützte Psychotherapien durchführen:
www.tiergestützte-therapie.de
Dieser Beitrag erschien erstmals am 5.4.2011
Aktualisiert am 18.6.2015