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Hassliebe

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hassliebeWenn wir wütend sind, ist die Sache schnell gegessen: Wir zeigen unsere Wut und reagieren uns ab. Wenn ein Kleinkind immer wieder wütend wird, weil es von seiner Mutter wiederholt eingeengt oder verlassen wird, dann kann die immer wiederkehrende Wut jedoch zum festen Hass werden. Das Kind hat dann ein Bild von einer Beziehung im Kopf, die immer nur wütend macht. So entsteht eine Repräsentanz, also eine Vorstellung von einer hasserfüllten Beziehung. Der Hass ist dann im Gegensatz zur Wut sozusagen dauerhaft installiert. Dieses Beziehungsmuster kann sich dann leicht auf andere Beziehungen im Erwachsenenalter übertragen. Manche Menschen leiden sehr darunter, dass ihre engeren Beziehungen schnell hasserfüllt sind. (Text & Bild: © Dunja Voos)

Ungute Abhängigkeit schürt Hass

Hassliebe tritt oft dann auf, wenn eine große, ungute Abhängigkeit zwischen zwei Menschen besteht. Das kleine Kind fühlt mitunter Hassliebe gegenüber seiner Mutter, von der es ganz und gar abhängt. Wenn die Mutter dem Kind nicht den Entwicklungsraum bietet, den es braucht, wird die Hassliebe zum Alltag. Wie eng Liebe und Hass zusammenhängen, zeigt schon unsere Sprache: „Den hab‘ ich gefressen“, sagen wir, wenn wir jemanden verabscheuen. Oder aber wir haben jemanden „zum Fressen gern“. „Du bist zum Anbeißen süß“, sagt die Mutter entzückt zu ihrem Kind oder der Mann zur Partnerin. Das Problem mit der Hassliebe ist, dass sie so verwirrend ist und uns oft so hilflos zurücklässt. Erwachsene, die sich in einer Hass-Liebes-Beziehung befinden, finden oft nur schwer heraus.

Die Mischung aus Aktivität und Passivität

Bei der Hassliebe scheinen Aktivität und Passivität ganz nah beieinander zu liegen. Hass kann man relativ leicht „machen“: Man zerstöre bei einem anderen etwas, das ihm lieb ist und schon hat man in wenigen Augenblicken den Hass des anderen auf sich gezogen. Auch mit Schweigen oder Liebesentzug kann der Hass entflammt werden. Die Liebe zu entflammen erscheint da weitaus schwieriger. Während man Hass durch Aktion herbeiführen kann, ist man bei der Liebe auf das Glück angewiesen.

Ist es möglich, dass ein anderer mich liebt?

Wir haben Glück, wenn ein anderer uns anschaut und uns liebt. Manche Menschen sind sicherer, geliebt zu werden als andere. Diejenigen, die in der Kindheit genug Liebe von ihren Eltern mit auf den Weg bekommen haben, gehen selbstverständlicher davon aus, Liebe zu erhalten. Diejenigen jedoch, die Liebe in ihrer Kindheit vermissten, wissen oft nicht so genau, ob es möglich ist, dass ein anderer sie liebt. Sie fühlen sich dann sehr ohnmächtig. Ob die Liebe im anderen erweckt wird, das weiß man eben nicht so genau. Man kann sich noch so attraktiv machen und noch so sehr an sich arbeiten – ob man geliebt wird, das kann man eben kaum steuern. Weil diese Ohnmacht oft so schwer auszuhalten ist, „machen“ manche Menschen, dass man sie hasst – das ist ihnen lieber, als dass gar nichts passiert.

Liebe kann entstehen

Liebe ist oft nicht sofort da. Zwar gibt es die „Liebe auf den ersten Blick“, doch bei vielen entsteht die Liebe erst im Laufe des längeren Zusammenseins. Zwei Menschen, die viel zusammen erleben, beginnen, sich zu lieben, weil sie sich genau kennengelernt haben. Mit der Zeit ist die Liebe entstanden und gewachsen. Liebe kann langsam entstehen – zum Beispiel auch aus Gefühlen der Dankbarkeit, weil man merkt, dass ein anderer stets verlässlich für einen da ist. Sie kann entstehen, wenn man den anderen verstehen lernt.

Liebe ist wie Vertrauen etwas Langsames, das wächst. Hass kann dagegen sehr schnell sein.

Ein Liebesband wurde vielleicht über viele Jahre hinweg geflochten – mit großer Leichtigkeit oder aber auch mit viel Mühe. Dieses Liebesband hält viel aus, mitunter auch Hass, der immer mal wieder entstehen kann. Hass kann das Liebesband aber auch anreißen und durchschneiden. Hass ist ein starkes Gefühl, bei dem man den anderen abstößt – gleichzeitig kann man mit ihm aber auch im Hass verbunden sein.

Hassliebe klebt

Beziehungen, in denen einer vom anderen stark abhängig ist, sind oft besonders pappig. Zwei Menschen kleben dabei aneinander und fühlen sich nicht frei. Sie können nicht mit-, aber auch nicht ohne einander. Hass und Liebe können dabei schnell wechseln oder auch parallel bestehen. „Zuckerbrot und Peitsche“ ist eine Erziehungsmethode, die Erfahrungen tief in das Gehirn von Kindern einbrennt. Die Erlebnisse sind auf eine ungute, aber eben sehr stabile Art in der Erinnerung vorhanden. Kinder, die viel „Zuckerbrot und Peitsche“ erlebt haben, suchen sich später oft Partnerschaften, in denen sie dieses Auf und Ab wieder erleben. So können sadomasochistische Beziehungen entstehen.

Mit Psychotherapie die Gefühle sortieren

Eine Psychotherapie kann helfen, die Gefühle auseinanderzuklamüsern, sie zu verstehen und zu sortieren. Wer seine Hassliebe tiefer verstehen möchte, der kann mithilfe einer Psychoanalyse oft viel erreichen. Therapeuten-Adressen gibt es unter www.dpv-psa.de, www.dpg-psa.de oder www.dgpt.de.

„Das Äußere, das Objekt, das Gehaßte wären zu allem Anfang identisch. Erweist sich späterhin das Objekt als Lustquelle, so wird es geliebt, aber auch dem Ich einverleibt … Wir merken aber jetzt auch, wie das Gegensatzpaar Liebe-Indifferenz die Polarität Ich-Außenwelt spiegelt, so reproduziert der zweite Gegensatz Liebe-Haß die mit der ersteren verknüpfte Polarität von Lust-Unlust.“
Sigmund Freud: Psychoanalyse. Ausgewählte Schriften. Reclam 1984: S. 246)

Eine mögliche Interpretation:
Wenn das Kind feststellt, dass es getrennt ist von der Mutter, hasst es die Mutter zunächst, weil es sich so anfühlt, als hätte sie sich ihm entzogen. Doch dann nähert es sich der Mutter wieder an. Das Liebesband entsteht.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am: 15.12.2012
Aktualisiert am 14.6.2015


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