Es ist schon ärgerlich – da macht man sich bei Schnee und Eis auf den Weg, steckt im Stau fest und der Psychotherapeut verlangt ein Ausfallhonorar von 80 €. “Es ist wie bei einem Englisch-Kurs in der Volkshochschule”, erklärt ein Therapeut. “Wenn Sie da nicht kommen, müssen Sie den Gesamtpreis ja auch zahlen.” Nach § 615 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) darf der Psychotherapeut ein Ausfallhonorar verlangen. Doch was macht das mit der Beziehung von Therapeut und Patient? (Text: © Dunja Voos, Bild: © Uta Herbert, www.pixelio.de)
Ein fester Rahmen
“Nichts ist wichtiger als ein fester Rahmen”, sagt ein Therapeut. Die äußere Struktur helfe dem Patienten dabei, auch stabile innere Strukturen aufzubauen. Sich an Regeln, Gesetze und Grenzen zu halten, fällt vielen Menschen schwer, vor allem dann, wenn die Regeln nicht sinnvoll erscheinen oder unangenehme Gefühle auslösen.
Viele Patienten empfinden die Ausfallhonorar-Regelung als ein großes Ärgernis. Die Therapeuten wiederum sind selbstständige Freiberufler – sie haben hohe laufende Kosten und sind ebenso auf ihr “Gehalt” angewiesen wie andere Menschen auch. Würden wegen eines Schneesturms einen Tag lang alle Patienten ausfallen, so würde dem Therapeuten ein ganzer Tagessatz fehlen, wenn er kein Ausfallhonorar verlangen würde.
Menschliche Beziehung und Geschäftsbeziehung mischen sich
Das Vertrackte bei der Psychotherapie: Einerseits ist es die Beziehung, die heilend wirkt. Andererseits muss man für diese Beziehung zahlen. Das Ausfallhonorar erinnert den Patienten in schmerzlicher Weise daran, dass die Beziehung zum Therapeuten auf gewisse Weise erkauft ist. Die Therapeuten wiederum gehen mit den Patienten durch dick und dünn. Ihr Beruf ist ihre Berufung und sie machen oft nichts anderes als diese Arbeit. Es kommt sicher auf den Therapeuten an, wie herzlos-nüchtern oder mitfühlend er das Honorar einfordert.
Das Ausfallhonorar bleibt ein Stein des Anstoßes
Manche Therapeuten weisen bereits zu Beginn der Therapie in einem schriftlichen Vertrag auf das Ausfallhonorar hin, andere erklären es ihren Patienten nur mündlich. Wieder andere sagen hierzu gar nichts und regeln die Situationen einzeln. Es ist jedoch allgemein üblich, dass Psychotherapeuten Ausfallhonorare verlangen und es ist den meisten Patienten gemeinsam, dass es ihnen immer wieder einen kleinen Stich versetzt.
Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) m.W.v. 01.01.2002.
Quelle: http://dejure.org/gesetze/BGB/615.html
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Bereitstellungshonorar = Ausfallhonorar
Links:
Ausfallhonorar – gerechtfertigt ja, fair nein?
Patienten diskutieren
Psychiatriegespräch, Forum für Psychiatrie und Psychotherapie, 15. Dez. 2009
Zum Umgang mit Ausfallhonoraren
Empfehlungen der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
http://www.lpk-rlp.de/cms/fileadmin/pdf-downloads/EmpfehlungenLPKAusfallhonorarundMuster.pdf
Merkblatt Ausfallhonorar
Psychotherapeutenkammer Berlin, 3.6.2009
http://www2.psychotherapeutenkammer-berlin.de/uploads/090603_merkblatt_ausfallhonorar_2_.pdf
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 26.10.2014
Aktualisiert am 30.5.2015