Immer, wenn ich den nie zur Schule gegangenen André Stern sehe („Je ne suis jamais allé à l’école“), dann denke ich: Genau so ist die Psychoanalyse-Ausbildung. „Wenn man die Kinder lässt, spielen sie den ganzen Tag“, sagt André Stern. Dabei lernen sie die ganze Zeit. „Du musst in deiner Psychoanalyse-Weiterbildung doch sicher viel Theorie lernen?“, fragen mich Freunde immer wieder. „Nein“, antworte ich. Dabei lerne ich Theorie wie verrückt, verschlinge Studien und Bücher tonnenweise. Aber eben nicht, weil es auf dem Lehrplan steht. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Persönliche Betroffenheit ist der Motor
In der Lehranalyse spürt man seine seelischen Wunden und man möchte sie überwinden. Man hat ein Gefühl, das einen stört und dann liest man nach: Welcher Autor hat was zu diesem Problem geschrieben? Wie funktioniert das mit den Beziehungen zwischen zwei, drei und mehr Menschen? Warum denke und fühle ich so, wie ich es eben tue? Da geht eine Welt auf. Und man wünscht sich kaum etwas mehr, als all dies zu lernen, zu verstehen, zu wissen, zu begreifen.
Es geht weiter
Eines ergibt das andere. Der Motor ist das Träumen, der Ursprung ist die Beziehung zum Lehranalytiker, das freie Assoziieren, das eigene Gefühl, die eigene Verzweiflung und die Freude und Erleichterung über die richtige Deutung. Es sind die eigenen Ideen und Träume. Es ist wie Spielen. Der Wissensdurst ist enorm und es macht Spaß und Freude, ihn zu stillen. Gäbe es einen Stundenplan, der sagt: Semester 1: „Sigmund Freud’s Traumdeutung“, Semester 2: „Die Richtungen der Psychoanalyse“ etc. und müsste man diesen Plan erfüllen und Prüfungen dazu ablegen, dann wäre es ein Lernen wie in der Schule: anstrengend und mühselig. So aber ist es ein Genuss und pure Freiheit. Das Lernen, der Beruf ist das Hobby.