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Psychoanalyse ist hart, weil man erkennt, was man verpasst hat

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Jahrelang ringt man in der Psychoanalyse um Erkenntnisse. Manchmal ringt man um eine spezielle Erkenntnis. Irgendwann dämmert es einem, warum man da ist, wo man gerade ist und warum man es früher nicht anders machen konnte. Und dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Jetzt weiß man, warum man nicht seinen Traumberuf ergriffen hat, warum man kein Geld hat, warum man krank geworden ist, warum man keinen Partner finden und/oder kein Kind bekommen konnte. Doch jetzt ist es für das ein oder andere zu spät. Der Schmerz, der dann entsteht, ist unendlich groß. (Text & Bild: © Dunja Voos)


Warum man vermeiden wollte

Jetzt weiß man, warum man vermeiden wollte, es zu verstehen: Es tut unendlich weh. Man spürt die Lücken des Lebens, die sich nie wieder kitten lassen. Wie soll man das aushalten?, fragt man sich. Auf einmal ist da nur noch Verzweiflung. Gram macht sich breit und Verbitterung. Warum ist man so groß geworden, wie man eben groß geworden ist? Womit hat man es verdient, so viele Chancen zu verpassen? Womit hat man es verdient, all diese Qualen zu erleiden?

Man ist nicht allein

Doch in der Psychoanalyse ist man nicht allein. Man hat den Psychoanalytiker, der den Schmerz mit einem trägt. Zuerst ist man vielleicht wütend auf den Analytiker – dass er nicht vorher da war, um zu helfen. Dass er nicht früher verstanden hat, sich nicht beeilt hat, nicht „besser“ war in seinem Job. Aber irgendwann merkt man auch: Es sollte alles so sein, damit es deutlich werden konnte. „Es“ brauchte seine Zeit für seine Entwicklung. Auch der Analytiker kennt solche Schmerzen.

„So genau wollt‘ ich’s gar nicht wissen, wollt‘ ich’s gar nicht fühlen.

Verbundenheit

Wenn der erste, scharfe Schmerz sich etwas gelegt hat, kommt vielleicht ein langsamer, tiefer, bohrender Schmerz. So, wie wenn man auf eine heiße Herdplatte gefasst hat: Der akute Schmerz lässt einen die Hand schnell zurückziehen. Doch dann kommt das langsame Brennen hoch. Wenn psychisch das langsame Brennen aufsteigt, meint man, man kann es nicht aushalten. Es fühlt sich an, als hörte es nie wieder auf. Aber das ist nicht so. Was mit der Zeit kommen kann, ist ein Gefühl von Verbundenheit mit dem Analytiker, aber auch mit anderen Menschen.

Anderes kommt

Irgendwann merkt man: Man hat die Kraft des Unbewussten kennengelernt. Man hat gespürt, dass es Kräfte gibt, die größer sind als man selbst. Kräfte, die sogar in einem selbst wohnen. Das macht Angst. Aber es macht auch demütig. Es macht verständnisvoller, rücksichtsvoller, bedachter, achtsamer und empathischer. Und es erwächst daraus die Fähigkeit, sich erfüllen zu lassen. Die Lücken des Lebens können bewirken, dass man lernt, sich erfüllen zu lassen.

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