Quantcast
Channel:
Viewing all articles
Browse latest Browse all 641

„Ich liebe Dich“– welchen Gefühlen kann ich trauen?

$
0
0

eindeutig„Ich liebe Dich.“ Ein eindeutiges Gefühl. Für den Moment. Kaum ausgesprochen, kommt der Schrecken: Ist es so? Bleibt es so? War es schon immer so? Und er/sie? Liebt er/sie mich auch? Er/sie sagt es – aber fühle ich mich geliebt? Gefühle sind manchmal wie Quantenphysik: Kaum schaut man die Teilchen an, haben sie sich verändert. Sie lassen sich oft nicht direkt beobachten. Auf welche Gefühle kann ich mich verlassen? (Text & Bild: Dunja Voos)

Gemischt

Eine Freundin lebt nebenan. Seit Jahren pflegt man eine gute Freundschaft. Doch mag man sie? Oder ist es nur schön, dass sie die Einsamkeit ein wenig lindert? Mit ihr lässt sich Geselligkeit genießen. Sie bietet Sicherheit. Sie stört nicht. Sie ist da, wenn man sie braucht. Zwischendurch kommen eindeutige Gefühle schlagartig daher: Hass, Liebe, Neid, Eifersucht. Kurz gebissen, mischen sich auch schon wieder andere Nuancen hinzu. Hassliebe. Abhängigkeitsgefühle. Mischungen aus Liebe-Eifersucht, Neid-Scham und vielem mehr.

Denken und Fühlen

Mit jemandem zu schlafen ist etwas anderes als eine wissenschaftliche Abhandlung über Beischlaf zu lesen. Sich geliebt zu fühlen ist ein eigenes Gefühl. Es kann mit dem Liebes-Gefühl des anderen korrelieren, muss aber nicht. Darüber nachgedacht, wird es immer schlimmer. Wir wollen Eindeutigkeit! Ein klares Ja! Ein klares Nein! Aber ist das Leben so? Ist Lebensfreude nicht oft auch mit ein wenig Depression gewürzt? Erkennen wir die Liebe des anderen nicht vielmehr an dem, wie er sich uns gegenüber verhält, als an dem, was er sagt?

Gebrochenes, diesiges Licht kann so viel interessanter sein als klarer Sonnenschein. Unter gebrochenem Licht schwitzt man nicht. Es ist so schön anzusehen. Fragen wir nicht so viel. Denken wir nicht so viel nach. Fühlen wir hin und genießen. Oder lassen uns irritieren oder abstoßen.

Kleine Kinder wollen immer wieder dasselbe hören. Immer wieder dieselbe Musik, dieselben Geschichten hören. Sie wollen das Gefühl der Vertrautheit und Eindeutigkeit herstellen. Solche Gefühle sind wichtig. Sie helfen dabei, dei vielen Uneindeutigkeiten zu tolerieren.

Auf der Suche nach Eindeutigkeit

Mit der Zeit kann Eindeutigkeit entstehen. Eindeutigkeit kann sich gut anfühlen, oft aber auch hart und schlecht. Tatsachen, Eindeutigkeiten, Absolutheiten – sie sind scharf, abgrenzbar, schmerzhaft, oft aber auch beruhigend. Oder belebend. Den Alltag verbringen wir oft in Uneindeutigkeiten und Gefühlsmixen. Einige Gefühle tun sich im Moment hervor. Oft ist die Grundstimmung konstant, wie das Blau das Meeres. Aber wie schrecklich wäre es, wenn das gesamte Meer nur die Farbe Blau mit dem eindeutigen Farbcode CadetBlue1 #98F5FF 152,245,255 hätte? Variatio delectat. Vielfalt hält am Leben. Monokulturen in der Natur sind anfällig für Krankheiten. Krampfhafte Eindeutigkeiten und das Abstempeln und Kategorisieren von Menschen macht ebenso krank. Wir schwimmen im Wasser und nicht in Stein. Uneindeutigkeiten machen das Leben interessant.

Doch wie entsteht dabei Geborgenheit?

Geborgenheit entsteht nicht unbedingt durch die Eindeutigkeit, sondern durch das Sich-Treffen, das Sich-Verstehen und Verstandenwerden. Durch das Gefühl, dass es irgendwie passt und dass es sich gut anfühlt. Ein Pfarrer sagte einmal: „Am liebsten vermähle ich die Paare, die auf meine Frage, warum sie zusammen sind, eigentlich gar nicht so richtig antworten können. Sie wissen es nicht so genau. Sie haben nur eine innere Gewissheit, dass es irgendwie richtig und gut ist. Das sind meiner Erfahrung nach die Beziehungen, die halten.“


Viewing all articles
Browse latest Browse all 641

Trending Articles