In der Krankenkassensprache kommt der Begriff „Psychoanalyse“ gar nicht vor. In der Alltagssprache der Kassen-Therapeuten werden die Begriffe „Psychoanalyse“ und „Psychoanalytische Therapie“ häufig gleichgesetzt. Offen gelassen wird dabei, ob bei der „Psychoanalytischen Therapie“ die Couch eingesetzt wird, oder nicht. „Psychoanalytische Therapie“ kann gemäß dieser „Kassensprache“ sowohl im Sitzen als auch im Liegen stattfinden. Das Wort „Psychoanalyse“ kommt eher im Sprachgebrauch von Analytikern und Patienten vor, wenn es sich um eine Behandlung handelt, bei der der Patient auf der Couch liegt und die mindestens 3-mal pro Woche stattfindet. Die genauen Wortlaute finden Sie in der Psychotherapie-Richtlinie auf der Website des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA: Psycyhotherapierichtlinie). (Text & Bild: © Dunja Voos)
„1. Psychoanalyse 2. analytische Psychotherapie 3. modifizierte analytische Psychotherapie.
Erstere ist keine Krankenkassenleistung, 3-5 x die Woche im Liegen ohne Stundenbegrenzung.
Die zweite Variante ist in aller Regel 3-stündig im Liegen bis maximal 300 Stunden.
Die letzte Variante ist die Modifikation, ebenfalls max. 300 Stunden meist zweistündig im Gegenüber-Sitzen.“
Das Setting ist entscheidend
Das sogenannte „Setting“ einer Psychotherapie hat entscheidende Auswirkungen auf den Therapieverlauf. Das englische Wort „Setting“ bedeutet „Festlegung, Rahmen, Hintergrund“. Die Frage lautet also: In welchem Rahmen wird die Psychotherapie durchgeführt? Bei einer Psychoanalytischen Therapie geht der Patient in der Regel zweimal pro Woche zum Psychotherapeuten, wobei die Therapie im Sitzen stattfindet. Für viele Patienten ist es ein großer Schritt, wenn der Psychotherapeut sie fragt, ob sie zweimal statt nur einmal pro Woche zur Psychotherapie kommen möchten. Bei manchen Patienten legen die Therapeuten von Anfang an fest, dass die Therapie zweimal pro Woche stattfindet. Bei anderen Patienten wiederum wird die Frequenz der Sitzungen im Laufe der Therapie verändert.
Viele Menschen, die das erste Mal mit einer Psychotherapie beginnen, sind mit therapeutischen Gesprächen überhaupt nicht vertraut. Es ist ungewohnt für sie, dass da jemand 45 oder 50 Minuten Zeit hat und ihnen zuhört. Es geht nicht von jetzt auf gleich, dass man über alles, was einen bewegt, sprechen kann. Auch um die eigenen Gefühle kennenzulernen, braucht jeder Betroffene seine Zeit.
Vertrauen zum Therapeuten ist wichtig
Das Vertrauen zum Therapeuten ist die wichtigste Grundlage für eine Therapie. Die ersten Wochen und Monate einer Therapie bestehen oft darin, erst einmal Vertrauen aufzubauen. Besonders misstrauische Patienten, die nicht viel Gutes in engen Beziehungen erlebt haben, kommen oft zunächst einmal pro Woche zum Therapeuten. Das ist das Setting einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (TFP).
Andere Patienten wiederum sind dringend darauf angewiesen, den Therapeuten mindestens zweimal pro Woche zu sehen. Gleichzeitig müssen diese Patienten diesen relativ häufigen Kontakt auch verkraften können. Man braucht oft sehr viel Mut, um einen bisher fremden Menschen gleich zweimal pro Woche zu sehen und ihm die wichtigsten Dinge des eigenen Lebens anzuvertrauen. Sobald der Patient zweimal pro Woche zur Therapie kommt, wird die Therapie als „psychoanalytische Therapie“ bezeichnet.
Zwei Sitzungen pro Woche ist für viele Patienten schon viel
Die Frequenz von zweimal pro Woche wird von vielen Patienten als sehr intensiv erlebt. Psychische Störungen sind oft mit großen Kontaktschwierigkeiten verbunden. Sie entstehen meistens dann, wenn die Beziehung zu den Eltern von Kindes Beinen an unsicher war. Diese Unsicherheiten in der Beziehung machen sich natürlich auch in der Therapie bemerkbar. Zu Beginn einer psychoanalytischen Therapie sind viele Patienten noch sehr misstrauisch. Sie beäugen den Analytiker und beobachten ihn sehr genau. „Kann ich ihm/ihr vertrauen?“, fragen sie sich.
Mit der Zeit aber wächst das Vertrauen meistens und die Patienten sind bereit, auch über intime Probleme zu sprechen. Häufig wenden die Patienten dann ihren Blick ab vom Therapeuten und erzählen lieber, indem sie aus dem Fenster oder auf den Boden schauen. Auch der Therapeut kann nicht ständig den Patienten ansehen. Schon Sigmund Freud sagte, dass es anstrengend sei, den ganzen Tag den Patienten in die Gesichter zu schauen.
Weg vom Gesicht
Es ist für die Patienten oft sehr schwierig, dem Therapeuten von Angesicht zu Angesicht von Dingen zu erzählen, die ihnen zutiefst peinlich sind oder für die sie sich schuldig fühlen. Manchen Patienten kommt da die Beichte bei einem katholischen Pfarrer in den Sinn. Im Beichtstuhl ist der Pfarrer von dem Beicht-Willigen durch einen Sichtschutz getrennt. Die psychoanalytische Therapie hat oftmals den Charakter einer „Beichte“. Manche Patienten sagen sogar wörtlich: „Ich fühle mich so schuldig und möchte so gerne endlich die Absolution erhalten.“ Ist das Vertrauen aufgebaut und fühlt sich der Patient dazu in der Lage, dann ist die Zeit oft reif für eine Psychoanalyse im Liegen auf der Couch.
Auf die Couch!
„Psychoanalysen im Liegen macht man doch heute nicht mehr, oder?“ Diese Frage stellen viele Menschen, die sich über die Psychoanalyse informieren. Die Antwort: Doch, natürlich werden auch heute noch Psychoanalysen im Liegen durchgeführt. Die „Couch“ ist das Symbol für die Psychoanalyse. Sie ist der Klassiker und Gegenstand vieler Comic-Zeichnungen und Witze. Was auf den Bildern aber oft falsch dargestellt wird, ist das Arrangement: Der Analytiker sitzt nämlich nicht neben seinen Patienten, wie viele glauben, sondern in der Regel hinter ihm. Die Couch ist so ausgerichtet, dass der Patient den Analytiker nicht sehen kann. Umgekehrt kann der Analytiker den Patienten nicht sehen – zumindest kann er ihm nicht ins Gesicht schauen.
Dieses Setting wirkt auf viele Menschen zunächst bedrohlich. Da steigen ganz viele Phantasien auf. „Wird der Therapeut mich von hinten plötzlich angreifen? Was hat die Couch mit dem Thema Sexualität zu tun?“, fragen sich viele. „Ich könnte mich nie auf so eine Couch legen“, sagt so mancher. Zu groß ist die Angst, ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Dadurch, dass der Therapeut sitzt und der Patient liegt, kommt natürlich auch ein Ungleichgewicht in die Beziehung hinein. Der Therapeut wird dann oft als „der Mächtige“ erlebt, während der Patient sich selbst ohnmächtig und klein fühlt. Aber gerade dieses Ungleichgewicht ist es, dass bewirkt, dass sich der Patient wieder wie ein Kind fühlen kann: er „regrediert“. Das ist dann die Chance, Altes und Tiefsitzendes zu verändern.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 26.7.2016