Die „Deutung“ ist ein heilender Bestandteil der Psychoanalyse. Während der Patient von sich erzählt und frei assoziiert, entstehen beim Psychoanalytiker viele Ideen und Bilder. Sie können ein Hinweis darauf sein, was beim Patienten im Unbewussten abläuft. Der Analytiker „deutet“ dann, das heißt, er bringt seine Idee, seine Theorie zur Sprache. Eine Deutung ist der Versuch, etwas Rätselhaftes zu verstehen. Deuten ist ein wenig wie ein „Erraten“. (Text & Bild: © Dunja Voos)
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Wenn der Analytiker deutet, ähnelt er manchmal einer Mutter/einem Vater, die/der errät, was im Kind möglicherweise vorgeht. Daher formulieren Analytiker ihre Deutung auch meistens sehr vorsichtig, indem sie ihre Deutung beginnen mit Worten wie: „Vielleicht ist es ja so, dass …“
Eine Deutung kann den Patienten tief berühren, wenn sie zutrifft. Manchmal atmen die Patienten erleichtert auf. Eine zutreffende Deutung kann sich anfühlen wie ein „Aha-Effekt“. Sämtliche Muskeln entspannen sich. Auch Schuldgefühle können nachlassen. Ein Gefühl von Verstehen und Verstandenwerden macht sich breit.
Auf den Zeitpunkt kommt es an
Durch die Deutung wird das Bewusstsein erweitert. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Deutung. Kommt die Deutung zu früh, kann sie vom Patienten nicht aufgenommen werden.
Eine Deutung kann aber auch verwirren, beunruhigen und neue Fragen aufwerfen. Meistens spürt der Patient, ob die Deutung für ihn stimmig ist oder ob sie sich vollkommen fremd und falsch anfühlt. Manchmal muss man unsichere Gefühle rund um die Deutung aushalten und weiterforschen, bis neue Klarheit auftaucht.
„Da der Analytiker ständig dazu aufgerufen ist zu entscheiden, ob er mit einer Deutung intervenieren soll, sollte Entscheidung mit ihren Komponenten von Einsamkeit und Initropsektion als ein Element der Psychoanalyse angesehen werden …“
(Bion: Elemente der Psychoanalyse, suhrkamp taschenbuch 1992: S. 46)
Verschiedene Ebenen
Der Analytiker kann auf verschiedenen Ebenen deuten. Will er zusammen mit dem Patienten die Beziehung verstehen, so deutet er das Geschehen zwischen ihm und dem Patienten (Übertragungs-/Gegenübertragungsdeutung). Natürlich kann man auch einen Traum deuten (Traumdeutung) oder einen Widerstand (Widerstandsdeutung).
(Mertens/Waldvogel: Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe. Kohlhammer, 3. Auflage 2008, S. 135).
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