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Clik here to view.Das Wort „Technik“ mag ich im Zusammenhang mit Psychoanalyse nicht – weil ich sie als etwas sehr Freies empfinde und als etwas, das in der Freiheit, im Spiel, im Traum wirkt. Es ist ein wenig als wollte man fragen: Welche Technik haben Vater und Mutter, um ihr Kind zu trösten und ihm zu einem sinnerfüllten Leben zu verhelfen? Psychoanalytiker gehen selbst in die Lehranalyse und lernen viel durch Nachahmen, durch Lesen, durch Erzählungen, durch Selbsterfahrungsgruppen, die Beschäftigung mit Märchen, Musik, alten Mythen und Reisen. Nun gut, ich komme ja schon zu den Techniken … (Text & Bild: © Dunja Voos)
Schweigen
Psychoanalytiker schweigen, damit der Patient möglichst viel von sich, seinen Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen erzählen kann. So hat der Analytiker Zeit, das Erzählte und Gefühlte auf sich wirken zu lassen und daraus neue Fragen und Erkenntnisse entstehen zu lassen. Der Patient wiederum hat Zeit, selbst nach eigenen Wegen zu suchen. Oftmals wird durch das Schweigen auch ein Gefühl der Verbundenheit und des gegenseitigen Verstehens möglich. Manchmal aber verunsichert das Schweigen den Patienten auch, was wiederum zu neuen Themen führen kann. (Mehr zu den Nuancen des Schweigens hier: „Wie wird man Psychoanalytiker? Schweigen lernen.“)
Freischwebende Aufmerksamkeit
Während der Psychoanalytiker schweigt, achtet er darauf, welche Phantasien, Bilder und Gefühle in ihm selbst entstehen. Die Freischwebende Aufmerksamkeit des Analytikers ist sozusagen das Gegenstück zur „Freien Assoziation“ des Patienten. Beide Beteiligten kommen quasi in einen „psychoanalytischen Zustand“, in dem es möglich ist, unbewusste Gedanken, Gefühle und Phantasien zu entdecken.
Beziehungsanalyse: Übertragungsanalyse und Gegenübertragungsanalyse
Psychoanalyse ist immer eine Frage der Beziehung. Alleine kommen viele Menschen klar. Doch psychische Probleme treten oft dann auf, wenn der Mensch in Beziehung zu einem anderen Menschen tritt. Wie sieht die Beziehung zwischen Analytiker und Patient aus? Welche Vorstellungen hat der Patient über die Beziehung? Was sieht er im Analytiker und wie verhält er sich ihm gegenüber? Diese Fragen stellen sich in der Psychoanalyse immer wieder.
Wenn der Patient – vereinfacht gesagt – im Analytiker den Vater sieht, dann findet eine Übertragung statt. Er erwartet, dass er dieselben Beziehungserfahrungen mit dem Analytiker macht, wie er sie mit seinem Vater gemacht hatte. Wenn der Psychoanalytiker darauf eingeht und die Übertragung in den Blick nimmt, dann führt er eine Übertragungsanalyse durch.
In der Gegenübertragungsanalyse analysiert der Analytiker seine eigenen Gefühle, Gedanken und Bilder. Wenn er sich z.B. hilflos fühlt, fragt er sich, ob dieses Gefühl zu ihm selbst gehört oder ob der Patient dieses Gefühl in ihm auslöst. Das ist oft schwer zu sagen. Daher ist die Gegenübertragungsanalyse ein fortwährender Prozess. Fühlt sich der Analytiker nur heute hilflos? Oder befindet er sich gerade privat selbst in einer auswegslosen Situation? Oder geht es ihm gut und er fühlt sich immer nur bei diesem Patienten hilflos, während die Patienten davor und danach diese Gefühle nicht auslösen? Woran erinnert ihn der Patient? Was macht der Patient vermutlich? Diese Fragen zu beantworten ist oft eine anstrengende Arbeit, weil sie so viel mit dem Analytiker selbst zu tun hat.
Widerstandsanalyse, Analyse der Abwehr
Manchmal möchte der Patient bestimmte Themen, Gefühle und Phantasien vermeiden. Das ist ihm oft gar nicht bewusst. Der Patient kann dann aber unbewusst die Arbeit zum Stillstand bringen, indem er zum Beispiel nur noch schweigt oder nur noch Nebensächliches erzählt, indem er zu spät kommt oder sich immer wieder krank meldet. Die Ursachen für den Widerstand sind oft Angst und Scham.
Affektklarifizierung
Oft weiß der Patient nicht so richtig, wie er sich fühlt. Der Analytiker versucht dann, ihm dabei zu helfen, seine Gefühle zu erkennen und zu benennen. Er sagt dann so etwas wie: „Vielleicht sind Sie ja gerade auch eifersüchtig (neidisch, traurig, wütend, verängstigt, fröhlich …).“
Deuten
Wenn der Analytiker eine Idee hat, wie die Probleme des Patienten zustandekommen könnten, dann deutet er. Er errät, wie es dem Patienten vielleicht ergeht oder ergangen sein könnte. Er versucht, Zusammenhänge herzustellen. Zum Beispiel so: „Könnte es sein, dass Sie Ihre Ausbildungen immer wieder abbrechen, weil Sie eigentlich lieber studieren würden?“
Traumdeutung
„Der Traum ist der Königsweg zum Unbewussten“, sagte Sigmund Freud. Wenn die Patienten Träume erzählen, ist es wichtig, dass sie selbst versuchen, den Traum zu verstehen. Der Analytiker regt den Patienten zum Nachdenken an und pickt vielleicht bedeutsame Stellen des Traumes heraus, um gemeinsam mit dem Patienten darüber nachzudenken.
Mentalisieren
Egal, was passiert, wie ergriffen der Psychoanalytiker auch selbst von dem Gesagten und den Taten des Patienten ist: Wichtig ist, dass sein „Denkraum“ erhalten bleibt. Einerseits lässt der Analytiker sich sehr auf den Patienten ein, andererseits sollte er soweit wie möglich fähig bleiben, über sich und den Patienten nachzudenken. Dabei regt er auch den Patienten an, über sich selbst, das Gesagte und Gefühlte nachzudenken.
Durcharbeiten
Ist ein Problem erkannt, wird es immer wieder „durchgearbeitet“, das heißt, das Problem taucht in verschiedenen Facetten immer wieder auf und kann immer wieder neu besprochen werden. Der Patient durchlebt jedes Mal dasselbe in abgewandelter Form, entwickelt sich dabei aber langsam weiter. Beispiel: Eine Patientin kommt mit Rückenschmerzen, die schlimmer werden, wenn sie glaubt, dass der Analytiker ärgerlich auf sie ist. Das war ihr anfangs nicht bewusst. Irgendwann haben Analytiker und Patientin herausgefunden, dass es so ist. Immer wieder tritt das Problem auf: „Ich habe schon wieder Rückenschmerzen! Heute ist es ganz besonders schlimm. Sie sahen aber auch so gestresst aus, als Sie mir die Tür aufmachten“, mag die Patientin sagen. Und dann schauen beide, was gerade heute das Besondere ist. Immer wieder spielen sie das durch, bis die Rückenschmerzen zusammen mit den Ängsten vor ärgerlichen Gefühlen langsam nachlassen.
Zusammenfassen und Sinnzusammenhänge herstellen
Der Psychoanalytiker stellt aus dem Gesagten Zusammenhänge her, die der Patient vorher vielleicht noch nicht gesehen hat.
Psychoanalytische Schulen anwenden
Wie viel der Analytiker schweigt, wie er deutet, wie sehr er den Patienten stützt oder „alleine lässt“, ob er tröstet oder nicht, hängt auch von der theoretischen Richtung ab, die der Analytiker bevorzugt. Da gibt es die Freudianer, die Kleinianer, die Intersubjektiven Psychoanalytiker, die Adlerianer und einige mehr. Manche Analytiker haben eine strenge Richtung, andere nutzen aus den verschiedenen Schulen das, was ihnen sinnvoll erscheint. Wichtig ist, dass der Analytiker die verschiedenen Theorien kennt und das, was er tut, bewusst tut.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 5.5.2015
Aktualisiert am 24.6.2016