„Psychoanalyse ist so elitär, dass sich nur die Reichen so eine Behandlung leisten können“, heißt es oft. Zum Glück übernehmen in Deutschland die Krankenkassen häufig die Kosten für eine Psychoanalyse („Psychoanalytische Therapie“), wobei die Patienten und Patientinnen 3- bis 4-mal pro Woche behandelt werden. Doch in vielen Fällen zahlt die Kasse eben nicht – zum Beispiel, wenn die Gutachter einen Patienten für „austherapiert“ halten oder wenn der Analytiker nicht an das Kassensystem angeschlossen ist, wie es bei mir der Fall ist. Ich frage mich: Wie kann die Psychoanalyse für Menschen möglich werden, wenn die Kasse nicht zahlt? (Text & Bild: © Dunja Voos)
Abhängigkeit auf Zeit
Die Psychoanalyse beabsichtigt eine „Abhängigkeit auf Zeit“ – ähnlich, wie Kinder lange von ihren Eltern abhängig sind, so führt die enge Bindung zum Analytiker für eine Weile zu einer emotionalen Abhängigkeit, wodurch die Patienten neue emotionale Erfahrungen machen können. Die zeitweilige Abhängigkeit führt dazu, dass die Patienten letzten Endes selbstständiger und beziehungsfähiger werden. Wenn Patienten jedoch nicht von der Krankenkasse unterstützt werden und nicht über das Geld verfügen, um die Behandlung aus eigener Kraft zu finanzieren, trifft der erste Satz dieses Beitrags zu: Nur die Wohlhabenden können mithilfe der Psychoanalyse auf ihrem Heilungsweg vorankommen.
Ein einziger Mensch reicht
Ich selbst arbeite als angehende Analytikerin gerne mit schwer leidenden Patienten aus sozial schwachen Schichten zusammen. Ich glaube fest daran, dass es hier ist wie in der Schule: Es muss nur einen Menschen geben, der an den „hoffnungslosen Fall“ glaubt. Ein einziger Lehrer kann einem Kind helfen, aus seiner schwachen Welt herauszufinden, um vielleicht als Erster aus der Familie zu studieren.
Der Psychoanalyse-Pate/die Psychoanalyse-Patin könnte Behandlungen ermöglichen
Ich behandele im Rahmen meiner Ausbildung zwei bis drei Patienten viermal pro Woche. Mit meiner Facharztanerkennung „Arbeitsmedizin“ falle ich aus dem ärztlichen Weiterbildungs- und Krankenkassensystem heraus (auch private Kassen zahlen nicht). Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum System ist für Ärzte die Facharztanerkennung auf einem „Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung“, wozu die „Arbeitsmedizin“ (in Nordrhein-Westfalen) leider nicht gehört (siehe Weiterbildungsordnung „Psychoanalyse“ der Bundesärztekammer, PDF).
Ich mache meine Ausbildung bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV), Zweig der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA). Hier gelten höchste Ausbildungsstandards.
Es stellen sich bei mir Patienten und Patientinnen vor, die sich psychoanalytisch behandeln lassen wollen, aber keinen Platz bei einem von den Krankenkassen zugelassenen Psychoanalytiker finden oder bei denen die Krankenkasse generell die psychoanalytische Behandlung ablehnt. So finden ich als interessierte Analytikerin und der Patient als Hilfesuchender nicht zusammen. Einzig und allein aus finanziellen Gründen.
Wie hoch wären die Kosten?
Orientiert an der Kassenregelung könnte man sich zum Beispiel zunächst auf 300 Stunden festlegen (26.100 € verteilt über zwei bis drei Jahre), wobei die Arbeit mit schwer traumatisierten Menschen leicht oft das Doppelte an Zeit in Anspruch nimmt. Hier müssten wir verantwortungsvoll sprechen, planen und handeln, denn für die Patienten ist kaum etwas schlimmer, als eine Psychoanalyse in einer wichtigen Entwicklungsphase beenden zu müssen.
Würde der Pate den Patienten kennenlernen?
Nein. Jedenfalls zunächst nicht. Ich würde den Patienten darüber informieren, dass ein Pate/eine Patin seine Behandlungskosten für eine bestimmte Anzahl von Stunden übernimmt. Der Pate/die Patin würde psychodynamisch gesehen für eine Triangulierung sorgen: Es ist noch jemand an der Therapie beteiligt. Diese Situation gibt es auch, wenn die Krankenkasse zahlt und ein Gutachter eingebunden ist. Auch bespreche ich die Therapie nach jeder 4. Stunde mit einem Supervisor.
Auch der Supervisor ist dem Patienten unbekannt. Er weiß nur, dass es diese Menschen im Hintergrund gibt. Diese Konstellation kann für die Psychoanalyse sehr wertvoll werden: Das „Eltern-Thema“ tritt auf, vielleicht entstehen Schuld- oder Dankbarkeitsgefühle oder auch Konflikte rund um das Gefühl, versorgt zu werden. Dadurch kann beim Patienten auch eine Art „Leistungsdruck“ entstehen, was selbst wieder Thema der Analyse werden könnte. Vielleicht reagiert der Patient im Gegenzug mit Trotz, Verweigerung und Widerstand, aber auch dies sind Themen, die unweigerlich quasi immer in einer Analyse auftauchen und Teil der Heilung werden können, wenn sie ausreichend Raum bekommen.
Damit Sie als Pate/Patin jedoch eine Vorstellung davon bekommen, für wen Sie sich da einsetzen, würde ich so vorgehen: Zu Beginn der Analyse erkläre ich dem Patienten, dass ich seine Geschichte in anonymisierter Form mit meinem Supervisor bespreche. Ich würde dem Patienten erklären, dass ich auch den Paten/der Patin grob über den Verlauf der Analyse informiere. Das geht natürlich nur, wenn der Patient absolut einverstanden ist mit diesem Vorgehen.
Es ist vielleicht eine ähnliche Situation wie bei der Organ-Spende: Später kann es möglich, wünschenswert und sinnvoll sein, dass sich der Pate/die Patin und der Patient/die Patientin kennenlernen.
Eine Garantie für einen „guten“ Psychoanalyse-Verlauf gibt es nie. Die Psychoanalyse sucht nach Wahrheiten. Welche Wahrheiten auf der Suche gefunden werden, kann niemand voraussehen. Doch meistens melden sich nur hochmotivierte Menschen mit starkem Leidensdruck für eine Psychoanalyse an. Der Pate/die Patin kann also davon ausgehen, dass er/sie mir als Analytikerin und dem Patienten/der Patientin ein ernsthaftes und sicheres Arbeiten ermöglicht.
Dann würde ich mich freuen, wenn Sie sich melden:
Dr. med. Dunja Voos, Am Zehnthof 9, 50259 Pulheim
Telefon: 02238/9699666, voos@medizin-im-text.de
Gerne können wir ein persönliches Gespräch vereinbaren.
Zukunftsgedanken
Die Suche nach einem Psychoanalyse-Paten/einer Psychoanalyse-Patin ist ein Experiment und ich bin sehr gespannt auf die Resonanz. Für die Zukunft denke ich an eine Stiftung, die es Patienten ermöglicht, eine Psychoanalyse zu machen, auch wenn das Geld dafür nicht vorhanden ist – sei es, weil der Analytiker ein „Laien-Analytiker“ ist (also weder Arzt noch Psychologe), sei es, weil der Analytiker nicht von den Kassen zugelassen ist, sei es, weil der Krankenkassen-Gutachter die Behandlung des Patienten ablehnt.
Ich denke außerdem an alleinerziehende Akademikerinnen, die gerne eine Psychoanalyse-Ausbildung machen würden, sich jedoch den finanziellen Kraftakt nicht zutrauen oder aus finanziellen Gründen die Ausbildung sogar für unerreichbar halten.
Wer sich an der Umsetzung dieser Ideen beteiligen möchte, ist herzlich willkommen.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 13.12.2015
Aktualisiert am 17.4.2016