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Kann man sich zu Vertrauen entschließen, wenn man misstrauisch ist?

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vertrauen_3„Vertrauen öffnet Türen“, schrieb ich auf Twitter. Daraufhin kam die Frage auf, inwieweit Vertrauen ein Gefühl ist. Ist Vertrauen eine Einstellung, eine Haltung die man bewusst einnehmen kann? Grundgefühle wie Angst, Wut, Freude oder Trauer kann man nicht so schnell ändern. Wer gerade traurig ist, dem kann man nicht sagen: „Nun freu dich doch mal!“ Beim Vertrauen ist es vielleicht etwas anderes, denn Vertrauen ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine Haltung. Ähnlich, wie wir in diesem Augenblick spüren, ob unsere Muskeln angespannt sind oder ob wir den Atem anhalten, können wir uns auch fragen: „Bin ich gerade vertrauensvoll oder misstrauisch?“ (Text & Bild: © Dunja Voos)

Anspannen – entspannen

Wenn uns der Zustand des Misstrauens bewusst wird, können wir oft – nicht immer – gewollt loslassen. „Ich bin angespannt“ – wenn ich das merke, kann ich versuchen, bewusst meine Muskeln zu lockern. „Ich bin misstrauisch“ – wenn ich das bemerke, kann ich das hinterfragen. Es gibt Menschen, bei denen haben wir uns bewusst zu Misstrauen entschieden, weil wir schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Wir wollen nie wieder von ihnen verletzt werden und glauben, wir könnten uns mit Misstrauen vor erneuten Verletzungen schützen.

Frühe Erfahrungen in der Kindheit entscheiden mit

Viele Menschen, die schlechte Erfahrungen mit ihrer Mutter gemacht haben, sind besonders ihr gegenüber misstrauisch. Dieses Misstrauen aus der ursprünglichen engen Beziehung übertragen viele dann auch grundsätzlich auf andere Menschen, denn die Beziehung zur Mutter war eng und prägend. Viele geben dann der Mutter überhaupt keine Chance mehr. Doch wer einem anderen Menschen mit Misstrauen begegnet, löst möglicherweise auch Zurückhaltung, Ängstlichkeit, Ärger oder Misstrauen im anderen aus. Auf jeden Fall hat die Beziehung eine bestimmte Qualität, wenn ich jemandem mit Misstrauen begegne. Häufig ist dieses Misstrauen nicht bewusst.

Achtsam sein

Erst, wenn wir unsere Aufmerksamkeit dahin lenken und uns fragen: „Bin ich gerade misstrauisch?“, dann bemerken wir unsere Vorsicht, unsere Haltung. Dann kann man darüber nachdenken: Ist die Vorsicht wirklich immer noch angebracht? Habe ich mich und den anderen in einen Teufelskreis gebracht, indem ich ihn nur noch argwöhnisch betrachte? Bin ich aus Gewohnheit misstrauisch? Sicher lässt sich Misstrauen nicht einfach abstellen. Gerade nach Missbrauchtserfahrungen hat sich Misstrauen oft – verständlicherweise – tief eingebrannt. Aber dennoch man kann einmal bewusst untersuchen, wie man in eine Situation hineingeht.

Wenn man denkt: Die anderen wollen mir etwas Böses, dann hat man eine Brille auf. Die anderen spüren das Misstrauen und reagieren möglicherweise irritiert.

Sich selbst befragen

Man kann seine Einstellung infrage stellen. Schon allein dadurch gewinnt man Abstand. „Ok, die Prüfer wollen mir vielleicht gar nichts Böses. Sie sind vielleicht selbst nervös. Ich versuche, vertrauensvoll in diese Prüfung hineinzugehen (vorausgesetzt, ich bin gut vorbereitet).“ So könnte eine bewusste Entscheidung zum Vertrauen aussehen. „Seit 20 Jahren denke ich, dass meine Mutter mich mit der nächsten Bemerkung verletzen wird. Kann ich davon mal Abstand nehmen? Traue ich mich hier, mein sicheres Denken zu verlassen und einmal neugierig zu sein, wie die Begegnung aus einem anderen Blickwinkel heraus verläuft?“ Neugier ist dabei wichtig und das Sich-Einlassen auf neue Wege und neue Unsicherheiten.

Vertrauen ist ein Geschenk

Wer sein Misstrauen verlässt, braucht etwas Mut. „Ha, ich hab’s doch gleich gesagt! Wieder hat sie so reagiert, das ist hoffnungslos!“ So könnten die ersten Erfahrungen mit dem neuen Mut, der neuen Einstellung aussehen. Aber man kann dranbleiben. Jemandem zu vertrauen, oder auch neu zu vertrauen ist für den anderen wie ein wertvolles Geschenk. Vertrauen ist ein Gefühl, aber es ist auch eine Haltung, oft sogar eine Entscheidung. Lockerlassen. Vertrauen. Darauf achten – das geht. Vertrauen kann man üben.

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