Das chronische Müdigkeitssyndrom (Chronic Fatigue Syndrom, CFS) zählt im Internationalen Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD 10) zu den Krankheiten des Nervensystems und nicht zu den psychischen Erkrankungen (ICD-10-Code: G93.3). Da es häufig nach Virusinfekten auftritt, wird es auch als postvirales Müdigkeitssyndrom bezeichnet. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Jede Faser …
Das CFS zeichnet sich besonders durch Muskelschmerzen (= Myalgien) aus, weshalb eine weitere Bezeichnung „Benigne myalgische Enzephalomyelitis“ lautet (= gutartige Gehirn- und Rückenmarksentzündung mit Muskelschmerzen). Der Kopf ist schwer, der Hals schmerzt. Nicht selten wird auch die Diagnose „Nasennebenhöhlenentzündung“ gestellt. Hört man mal auf den Rat der anderen und geht spazieren, fühlt man sich hinterher doppelt krank. Es macht keinen Spaß.
Kein klar abgegrenztes Krankheitsbild
Das chronische Müdigkeitssyndrom tritt oft auch bei der Fibromyalgie auf. Bei der Fibromyalgie leiden die Betroffenen unter Schmerzen, die über den ganzen Körper verteilt sind. Allerdings ist bei der Fibromyalgie der Zusammenhang mit einem Infekt oft nicht ganz so deutlich. Manche Betroffenen haben beide Diagnosen, manche kennen aber auch die Diagnose-Unsicherheiten, die bei der Odyssee von Arzt zu Arzt entstehen. Manche Betroffenen leiden die meiste Zeit des Jahres an einer unerklärlichen Müdigkeit. Schon bei kleinsten Aktivitäten sind sie erschöpft. Beim CFS fühlen sich die Betroffenen richtig krank. Die Stimmung ist meistens gedrückt, sodass auch eine Verwandtschaft der Erkrankung zur Depression besteht.
Der Körper im Vordergrund
Ist die CFS gerade „aktiv“, so kann häufig auch die beste Psychotherapie kaum helfen. Da hilft es oft nur zu warten, bis der Schub abgeklungen ist. Ähnlich wie bei einer Infektion lassen die Beschwerden bei vielen Betroffenen nach einigen Tagen wieder nach. Manche Menschen leiden prinzipiell nach Infekten an einem CFS, manche sind zu bestimmten Jahreszeiten oder bei bestimmten Wetterlagen betroffen, andere sehen auch einen Zusammenhang mit dem Monatszyklus und den Wechseljahren.
Eine Last mit bisher wenigen Antworten
Die Erkrankung ist weiterhin zu großen Teilen ein Rätsel. Sie zeigt sehr deutlich, wie eng Körper und Psyche miteinander verzahnt sind. Die Hormone, das Immunsystem und die Muskulatur sind hier beteiigt. Ein ganzes Forschungsgebiet, die Psychoneuroimmunologie, befasst sich mit diesen komplizierten Zusammenhängen. Dass Viren die Muskulatur angreifen können, kennt wohl jeder von grippalen Infekten: Manchmal kann man sich kaum bewegen, weil eben jeder Muskel schmerzt. Die Neigung zur Erkältung wiederum ist abhängig vom psychischen Wohlbefinden. Bei Schlafmangel und in Stresssituationen können manche Menschen förmlich spüren, wie ihr Immunsystem herunterfährt (Open-Window-Phänomen).
Schlafen und Einmuckeln ist wichtig
Ist das CFS da, ist es schwer, „gesund zu leben“. Dann sind erst einmal Schlaf und Wärme angesagt, häufig auch kalorienreiche Kost (heißer Kakao und ähnliches). Andere wiederum schwören auf eine Kur in einer Fastenklink: Durch das Fasten finden viele den Weg aus der Erschöpfung. Doch meistens ist es so: Erst wenn sich die Betroffenen wieder besser fühlen, wird es oft erst möglich, wieder ein gesünderes Leben mit gesunder Kost und Bewegung zu führen. Betroffene sollten sich die Zeit gönnen, die sie brauchen. Manchmal kann man einfach nur warten, bis die Symptome nachlassen, doch immer wieder gibt es auch bessere Phasen: Man wacht morgens auf und spürt wieder mehr Kraft und Energie. Diese „Fensterchen“ kann man nutzen, um aus dem Loch herauszukrabbeln.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Die Seele wohnt (auch) in den Muskeln
Neurasthenie, Vegetative Dystonie
Die chinesische Organuhr
Zu müde zum Sport
Schwindel und der Weg zu neuem Halt
Die psychische Verfassung bei Grippe
Schlafmangel kann zur Erkältung führen
Die Cortisol-Uhr
Links und Literatur:
Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom
Fatigatio e.V.
Diagnosing Chronic Fatigue Syndrome
U.S. Criteria versus Canadian Criteria
chronicfatigue.about.com
Niloofar Afari, Ph.D., Dedra Buchwald, M.D.
Chronic Fatigue Syndrome: A Review
http://dx.doi.org/10.1176/appi.ajp.160.2.221
The American Journal of Psychiatry
Volume 160 Issue 2, February 2003, pp. 221-236
http://ajp.psychiatryonline.org/doi/10.1176/appi.ajp.160.2.221