„Ich wäre gerne viel gelassener.“ – „Ich würde gerne mehr Disziplin an den Tag legen.“ – „Ich wäre gerne schlanker.“ Wir alle haben ein „Ich-Ideal“, also eine Vorstellung davon, wie wir gerne sein würden. Kleine Kinder möchten so sein wie ihre Eltern, ihre Kindergärtnerin, ihr Lehrer. Sie identifizieren sich mit ihnen und idealisieren sie. Erst später kommt es zur Des-Illusionierung: „Meine Eltern sind furchtbar, ich will niemals so sein wie sie!“, mag der Jugendliche denken. Der Jugendliche hat inzwischen eine eigene Vorstellung davon, wie er einmal sein möchte oder wie er gerne wäre. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Worin besteht der Unterschied zwischen Ich-Ideal und Überich?
Das Über-Ich ist unsere Moral. Wir strafen uns, wenn wir einem anderen gegenüber ein schlechtes Gewissen haben: „Das hätte ich so niemals sagen dürfen“, ist eine typische Aussage des „Über-Ichs“. Das Über-Ich kann sich melden, wenn wir nicht unserem Ich-Ideal entsprechen. Das Ich-Ideal hat eine bestimmte Richtung, es ist an einem Wert orientiert.
„Da will ich hin“, sagen wir uns, wenn wir unser Ich-Ideal erreichen wollen. „Das darfst du nicht“, sagt das „Über-Ich“ möglicherweise. Das „Über-Ich“ begrenzt uns und hält uns zum Beispiel davon ab, eine Straftat zu begehen. Wenn wir jedoch so sein wollen, wie ein idealisierter Bankräuber, dann überfallen wir eine Bank, weil es unserem „Ich-Ideal“ entspricht.
Ist das Ich-Ideal ein Teil des Über-Ichs?
Freud sagte zuerst, das Ich-Ideal sei ein gesonderter Teil (eine Substruktur) des Über-Ichs (1914 c, „Zur Einführung des Narzißmus“ (amazon), Quelle: Mertens/Waldvogel: Handbuch psychoanalytischer Begriffe, 3. Auflage 2008, S. 319). Später benutzte Freud die beiden Begriffe synonym (1923 b: „Das Ich und das Es“, textlog).
Die Psychoanalytikerin Melanie Klein (1882-1960) benutzte den Begriff Ich-Ideal nicht. Sie sprach meistens vom „Über-Ich“.
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Literatur:
Wolfgang Mertens und Bruno Waldvogel:
Handbuch psychoanalytischer Begriffe
Kohlhammer-Verlag, 3. Auflage 2008: S. 319
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 12.4.2014
Aktualisiert am 27.7.2015