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Traumatisiert durch Psychoanalyse

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721721_web_R_K_by_Magret Peper_pixelio.deImmer wieder begegnen mir Menschen, die sehr schlechte Erfahrungen mit der Psychoanalyse gemacht haben. Sie berichten davon, dass sie das Schweigen des Analytikers kaum ausgehalten haben. Sie haben sich dem Analytiker anvertraut, aber nichts kam von ihm zurück. Diese Betroffenen haben sich die meiste Zeit so gefühlt, als seien sie einfach im Regen stehengelassen worden. Sie haben eine „kalte“ Psychoanalyse erlebt – fast ohne Antworten, ohne Resonanz, ohne Wärme und ohne Halt. Wie soll man damit umgehen? (Text: © Dunja Voos, Bild: © Magret Peper, www.pixelio.de)

Auch Psychoanalytiker sind nur Menschen

In der Psychoanalyse ist es wie überall: Es menschelt. Die Psychoanalyse ist unter anderem davon abhängig, welcher „Schule“ und welchen Überzeugungen der Psychoanalytiker anhängt. Kleinianer gelten zum Beispiel als eher kalte Analytiker. Sie halten den Patienten leicht für aggressiv und neidisch und betrachten ihn recht isoliert. Zwar gibt es das Konzept der „projektiven Identifizierung“, aber dennoch gehen sie zum größten Teil davon aus, dass das, was geschieht, Sache des Patienten ist. Im Gegensatz zur intersubjektiven Psychoanalyse nehmen sich diese Analytiker als Person weitgehend raus. Wird ein Patient aggressiv, so liegt es wohl an ihm, so lautet der Kurzschluss. Manchmal werde ich zum Beispiel schon aggressiv, wenn ich Otto Kernbergs Texte lese. Wie müssen sich da seine Patienten fühlen? Während der eine Analytiker sagt: „In der Psychoanalyse wird nicht getröstet“, können andere Analytiker sehr gut trösten.

Mit der Abstinenz klarkommen

Der Patient in der Psychoanalyse nimmt viele Entbehrungen auf sich. Er wünscht sich vielleicht warme Worte, Berührungen, Kuscheln, Postkarten in den Ferien, oder – wenn er schwer verliebt ist – auch gemeinsame Nächte. Doch es ist wie in der Schule: Der verliebte Schüler kann nicht mit der Lehrerin ins Bett gehen. Er wünscht es sich zwar, aber er ist gleichzeitig auch erleichtert, dass es nicht wirklich passiert. Die Abstinenz des Analytikers ermöglicht es dem Patienten, frei über alles zu sprechen. Diese große Freiheit verspüren wohl die meisten Patienten kaum irgendwo anders. Gut ist es, wenn man einen Analytiker findet, der zu einem passt und für einen selbst das richtige Maß zwischen „Fels in der Brandung“ und spürbarem Mitgefühl hat.

Wer hat genügend Liebe abbekommen?

Auch Psychoanalytiker haben selbst mehr oder weniger Liebe in ihrem Leben abbekommen. Menschen, die genügend Liebe in sich tragen, können diese auch leichter weitergeben. Wer einen Psychoanalytiker sucht, sollte seinem Gefühl trauen. Auch bei der größten „Störung“ gibt es da ein Grundgefühl, das sagt: Dieser Psychoanalytiker tut mir gut oder eben nicht. Dieses Grundgefühl sollte man von der allerersten Stunde an ernstnehmen. Wer schlechte Erfahrungen mit einem Psychoanalytiker macht, der verliert leicht das Vertrauen in die Methode. Wichtig ist es aber, sich dennoch eine Chance zu geben. Die Psychoanalyse bei einem anderen Analytiker, bei einem anderen Menschen, kann so ganz anders sein …

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 20.2.2015
Aktualisiert am 19.7.2015


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