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Regression im Dienste des Ich und Maligne Regression

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Der Begriff „Regression“ stammt vom lateinischen Wort „regredi“ ab, was „zurückgehen“ bedeutet. Wer sich von altersentsprechenden Verhaltensweisen zurückzieht auf frühere Entwicklungsstufen, der regrediert. In kritischen Situationen neigen wir zur Regression. Wir haben Angst vor dem Alleinsein, verkrümeln uns in unser Bett oder weinen leicht vor anderen. (Text: © Dunja Voos, Bild: © Lisa-Marie, Pixelio)


Zurück zur Windel

Besonders Kinder können leicht von reiferen auf frühere Entwicklungsstufen zurückfallen. Bekommt der 5-Jährige ein Geschwisterchen, verhält er sich wieder so wie ein 3-Jähriger: Er fällt von der ödipalen auf die anale Phase zurück. Bei Psychoanalytikern findet man manchmal die Beschreibung, dass „Regression“ ein „Rückfließen der Libido auf frühere Stufen“ sei (Elhardt).

Bedeutsame, aber ungelöste Entwicklungsschritte

Immer wieder gibt es Punkte in unserem Leben, an denen wir besonders glücklich oder unglücklich sind. Wir können uns an bestimmte Phasen unserer Kindheit besonders gut erinnern, weil sie durch besonders starke Gefühle gekennzeichnet waren. Manchmal können Kinder wichtige Entwicklungsschritte nicht gut vollziehen, weil ihre Eltern zum Beispiel ständig streiten. Oder sie können innere Konflikte nicht gut lösen, weil sie zum Beispiel von einem Elternteil immer wieder hart bestraft werden. Diese Phasen der Kindheit können zu sogenannten „Fixierungsstellen“ werden. Bei Problemen im Erwachsenenalter können die ungelösten Probleme der Kindheit wieder auftauchen.

Bekommen, was bisher fehlte

Regression kann auch heißen, dass wir nachholen wollen, wovon wir zu früheren Zeitpunkten nicht genug bekommen haben. Immer in der Hoffnung, an diesem Punkt doch einmal satt zu werden, verhalten wir uns manchmal wieder wie ein Kind. Dieser Mechanismus spielt bei der Depression eine Rolle – wer an Depressionen leidet, kann sehr passiv werden.

Statt besser wird es schlimmer

Wer scheinbar unlösbare Konflikte vor sich hat, der regrediert in der Hoffnung, den Konflikt mit altbekannten, kindlichen Verhaltensweisen lösen zu können. Als Kind führten verschiedene Lösungen zum Erfolg, die bei Erwachsenen jedoch nicht mehr funktionieren. Als Kind ist man ja vollkommen abhängig von den Eltern. Bei „schlechten“ Eltern halfen manchmal nur der komplette Rückzug oder später das Weglaufen. Bei Konflikten im Erwachsenenalter kommen wir jedoch mit unseren alten Hilfsmitteln oft nicht weiter – neue Wege müssen gefunden werden.

Wenn wir regredieren und alte Verhaltensweisen benutzen, können auch wieder kindliche Ängste entstehen. Anstatt besser, fühlt man sich bei der Regression schlechter. Wer sich zum Beispiel bei beruflichen Problemen zu sehr zurückzieht und nicht mehr aus dem Haus gehen oder Auto fahren will, der kann Angst davor bekommen, festzusitzen, eingeschränkt und abhängig zu sein – eine Angststörung kann entstehen.

Regredieren zum Wohlfühlen oder zum Abwehren

Die Regression „im Dienste der Abwehr“ ist eine Flucht vor Problemen, die aber meistens so nicht gelöst werden können. Regression ist jedoch manchmal auch erwünscht: Zum Beispiel sorgt die Couch in einer Psychoanalyse dafür, dass der Patient leichter regrediert. So werden zum Beispiel Beziehungsprobleme schneller sichtbar. Bei der Regression „im Dienste des Ich“ kann man sich erholen, ein wenig Abstand von allem gewinnen und träumen. Wenn wir krank sind, regredieren wir, lassen uns verwöhnen, bekochen und bedienen, um wieder gesund zu werden. Und jeden Abend, wenn wir ins Bett gehen, „regredieren“ wir und schlafen ein.

Beispiele für „Regression im Dienste des Ich“ und „Maligne Regression“:
Regression im Dienste des Ich:
Man läuft den ganzen Tag im Schlafanzug rum, liest, sieht fern, isst Süßigkeiten und genießt diesen freien Tag, an dem man sich einmal richtig hängen lassen kann.
Maligne Regression:
Man hängt nur noch auf der Couch herum und kommt nicht mehr in die Gänge.

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Regression im Traum

Literatur:

Siegfried Elhardt
Tiefenpsychologie
Kohlhammer Stuttgart 2001: 60–62

Dieser Beitrag wurde erstmals am 24.9.2012 veröffentlicht.
Aktualisiert am 12.7.2015


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