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Clik here to view.Sie sind oft beruflich genial: Menschen mit einer schizoiden Neurose. Ihre Stärke ist das logische und abstrakte Denken. Viele Schizoide sind intellektuelle Menschen – sie beschäftigen sich lieber mit theoretischen Dingen, als einen Nagel in die Wand zu schlagen. Ein Hauptproblem der Betroffenen ist die sehr große Sehnsucht nach Nähe bei gleichzeitiger Angst davor. Häufig wird die Schizoide Persönlichkeitsstörung mit dem Asperger-Syndrom gleichgesetzt. (Text und Bild: © Dunja Voos)
Schizoid heißt nicht „schizophren“
Die Persönlichkeit der Menschen mit einer schizoiden Neurose ist recht beständig. Es besteht kein besonderes Risiko, an einer Psychose zu erkranken (Ermann). Daher ist die Schizoidie auch nicht zu verwechseln mit der Schizophrenie. Die stark ausgeprägte Form der schizoiden Persönlichkeitsstörung heißt „schizotype (= schizotypische) Persönlichkeitsstörung“. Das Wortteil „schizo“ bedeutet „gespalten“, wobei bei der Schizoidie hauptsächlich Denken und Fühlen voneinander „abgespalten“ sind – schizoide Menschen können exzellent logisch denken, aber es fällt ihnen schwer, einen Zugang zu ihren Gefühlen zu finden.
Gefühle werden abgewehrt
Gefühle von Schuld, Scham, Trauer oder Trennungsangst bedrohen sie innerlich so sehr, dass sie diese Gefühle auf keinen Fall zulassen wollen. Häufig nutzen sie dann die Abwehrform der „projektiven Identifizierung“. Sie spalten die Gefühle und Persönlichkeitsanteile, die sie an sich auf keinen Fall ertragen können, ab und projizieren sie auf einen anderen. Der andere fühlt sich dann unter Umständen auf einmal selbst „schuldig“ oder „böse“ oder er fühlt sich herausgefordert, so zu reagieren, dass er zum „Bösen“ wird. Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung erreichen durch ihr Verhalten oft, dass der andere sie so behandelt, wie sie es erwarten würden und wie es ihrem inneren Bild von anderen entspricht.
Frei und unabhängig
Schizoide Menschen sind gerne unabhängig. Sie scheuen die hautnahe Berührung – nicht selten leiden sie unter Ekzemen, Psoriasis und Asthma (Elhardt). Oft wirken sie kühl und sind nur oberflächlich freundlich. Bei Spannungen können sie sehr verletzend und schroff sein. Schizoide Menschen beäugen alles kritisch und neigen zum Nihilismus. Sie nehmen fast alles wörtlich (konkretistisches Denken) und wählen gerne Berufe, in denen das „Denken“ gefragt ist – so werden viele Mathematiker oder Informatiker.
Verschiedene Ausprägungen
Die Schizoidie kennt viele Facetten, genau wie jede andere psychische Störung. Manche Menschen sind tendenziell schizoid – sie sind mit ihrer logischen Denkfähigkeit gesegnet, aber durchaus auch vertraut mit ihrer Gefühlswelt. Andere leiden unter einer so stark ausgeprägten schizoiden Störung, dass ihr Leben dadurch sehr eingeschränkt ist – sie fühlen sich einsam, beziehungslos und von anderen und dem Leben abgeschnitten. Viele Betroffene leiden dabei zusätzlich unter einem ausgeprägten Narzissmus, wodurch sie arrogant wirken und sich in Beziehungen schwer tun. Viele Betroffene haben ein tiefes Misstrauen allem und jedem gegenüber.
Sinnlosigkeit und Leere
Nicht selten leiden Schizoide so sehr unter einem Gefühl innerer Leere, dass sie einen Therapeuten aufsuchen. Das kann zu einer Zeit passieren, in der sie so verzweifelt sind, dass sie am liebsten ihr Leben beenden würden. Sehr häufig haben schizoide Menschen schon als Baby schwerste Enttäuschungen im Mutter-Kind-Kontakt erlebt, etwa wenn sie sich der Mutter vertrauensvoll genähert haben (primäre Schizoidie). Andere Patienten haben erst später Traumatisches erlebt (sekundäre Schizoidie) und ziehen sich infolgedessen misstrauisch zurück. Im Alltag lassen sich diese Formen jedoch nicht so leicht trennen, denn viele Kinder erleben es von Beginn an, in ihren Gefühlen nicht verstanden oder ernstgenommen zu werden. Viele Kinder erleben über viele Jahre Vernachlässigung oder Gewalt in der Familie, sodass sich die vielen, auch „kleineren“ Verletzungen, über die Jahre zu einem großen Trauma anhäufen.
Therapie
Vielen Betroffenen hilft eine psychoanalytische Therapie, denn hier können Therapeut und Patient genau untersuchen, was in der therapeutischen Beziehung passiert. Häufig gelingt es den Betroffenen, ihre Anteile, die sie völlig von sich weisen, sozusagen wieder zu sich zurückzuholen. Sie werden „vollständiger“ und ihre Emotionspalette wird breiter.
Im Laufe der psychoanalytischen Therapie/Psychoanalyse können sie ihre eigenen Gefühle von Angst, Trauer, Scham und Schuld besser annehmen und auch die Erfahrung machen, wie es ist, ernst genommen zu werden. Der Therapeut „containt“ die Gefühle der Patienten, das heißt, er nimmt sie auf, hält sie, schaut sie sich mit dem Patienten an und gibt sie schließlich dem Patienten in gut verdaubaren Häppchen zurück. Dies ist ein sehr heilsamer Vorgang, der sich normalerweise zwischen einer gesunden Mutter und ihrem Kind über viele Jahre abspielt. Mit der Zeit sind die Betroffenen mehr „ganz“ bei sich, in ihren Grenzen. So können sie dann auch in „echten Kontakt“ mit anderen treten und sich als getrennt vom anderen erleben. Das macht es möglich, dass sie „echte Nähe“ zulassen können und weitaus befriedigendere Beziehungen führen.
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Narzissmus
Buchtipp: Psychisches Gleichgewicht und psychische Veränderung
Therapeutenadressen:
Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV)
Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychosomatik, Psychotherapie und Tiefenpsychologie (DGPT)
Psychotherapiesuche.de
Literatur:
Siegfried Elhardt:
Tiefenpsychologie
Kohlhammer Stuttgart, 2001: 117–119
Michael Ermann:
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Ein Lehrbuch auf psychoanalytischer Grundlage
Kohlhammer, Stuttgart 2004: 180-183
Thomas Kohlmaier:
Genese, Abwehr und Symptomschwere bei Schizoiden und Neurotikern
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
Dissertation 2002, Uni Heidelberg (PDF)
Weitere Links:
Adrian Raine:
Schizotypal Personality Questionnaire (SPQ)
The SPQ: A Scale for the Assessment of Schizotypal Personality
Based on DSM-III-R Criteria
Schizophrenia Bulletin 1991, Vol. 17 No. 4
Abstract
Schizotypal Personality Questionnaire, http://themachine1.110mb.com/
ICD 10:
Schizoide Persönlichkeitsstörung = F 60.1
Schizotype Persönlichkeitsstörung = F 21
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht im Jahr 2006.
Aktualisiert am 24.8.2016
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