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45 Wie wird man PsychoanalytikerIn? Die Deutung

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Der Psycyhoanalytiker hört lange zu und deutet dann. Er zieht eine Schlussfolgerung, er findet im Dickicht eine Lichtung, er beschreibt das Gefühl oder Bild, das in ihm entstanden ist, er hat eine Idee, er errät den Zustand des Patienten oder stellt einen bisher nicht gesehenen Zusammenhang her. „Deutung“ ist ein großes Wort und man kann viel darunter verstehen. Wann ist das, was der Analytiker sagt, nur eine „Äußerung“, und wann eine Deutung? (Text & Bild: © Dunja Voos)

Viele Reaktionen sind möglich

Wenn eine Deutung (englisch: Interpretation) zutrifft, dann ist der Patient oft sehr berührt und erleichtert. Er hat dann das zutiefst befriedigende Gefühl, verstanden worden zu sein. Eine korrekte Deutung ist sowohl für den Patienten als auch für den Analytiker eine Überraschung (Bion in Grotstein: A Beam of Intense Darkness, Karnac 2007, S. 83). Kommt eine Deutung zu früh, wird sie von niemandem gehört (Anne Marie Sandler: Encounters through generations, Youtube). Manchmal verstört sie den Patienten. Eine Deutung kann verwirren oder in Aufruhr versetzen.

Bion: Erst fühlen, dann deuten

Der britische Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979) hat Einleuchtendes zur Deutung gesagt (Quelle: James Grotstein: A Beam of Intense Darkness, Karnac 2007). Durch seine Therapie mit Borderline-Patienten und Psychotikern hat er gelernt:

„I do not think such a patient will ever accept an interpretation, however correct, unless he feels that the analyst has passed through this emotional crisis as a part of the act of giving the interpretation.“ (In: Grotstein: A Beam of Intense Darkness, S. 91)
„Ich glaube nicht, dass so ein Patient jemals eine noch so korrekte Deutung akzeptieren wird, wenn er nicht spürt, dass der Analytiker zuvor mit ihm durch seine emotionale Krise gegangen ist. Dieses Mit-Erleben der Krise ist Teil des Deutungsvorgangs.
„… the interpretation is merely setting a formal seal on work that has already been done.“
„… die Deutung besiegelt nur die Arbeit, die vorher schon getan wurde.“

Wenn man falsch liegt

Ähnlich wie eine Mutter nicht immer richtig „errät“, was mit ihrem Kind ist, so kann auch der Psychoanalytiker mit seiner Deutung völlig falsch liegen. Die Deutung hat vielleicht viel mit ihm selbst, aber wenig mit dem Patienten zu tun. Dann ist die Versuchung groß, immer noch mehr zu sagen, sich wieder herauszureden, sich zu rechtfertigen. Doch meistens ist das der Situation nicht zuträglich. Besser, man lässt auch die scheinbar oder anscheinend „falsche“ Deutung sacken und schaut geduldig, was damit passiert.

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