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Schwächen anbieten – warum macht man das?

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Wolf_Ich-und-Du
Es gibt Menschen, die tragen ihre Fehler geradezu vor sich her. Während einige Menschen ihre Fehler überspielen und versuchen, sie zu verbergen, gibt es andere, die ständig zeigen: „Seht her, hier habe ich eine Schwäche.“ Manchmal ist es, als wollten sie damit sagen: „Haut ruhig rein.“ Wenn andere die „Einladung“ dann annehmen und tatsächlich auf den eigenen Schwächen herumtanzen, hält man das vielleicht zunächst gut aus und genießt es sogar ein wenig. Doch dann kommt die Wut und man denkt sich: Demnächst werde ich meine Schwächen nicht so zur Schau stellen. Demnächst gebe ich anderen nicht die Gelegenheit, mich bei meinen Schwächen zu packen. Doch manche Menschen kommen immer wieder in diese Situation – woran liegt das? (Text: © Dunja Voos, Bild: © Ich-und-Du, Pixelio)

Verdrehte Wut

Schwächen in einem ausgeprägten Maß zuzugeben und nahezu zur Schau zu stellen, hat etwas Masochistisches. Manche Menschen geben dann ausgiebig ihre Schwächen zu, wenn sie eigentlich wütend auf einen anderen sind. Eigentlich würden sie selbst gerne den anderen angreifen. Weil es aber Situationen gibt, in denen ein Angriff nicht passen würde oder weil man sich selbst nicht traut, offen aggressiv zu sein, denkt die Psyche sich sozusagen einen Trick aus. Unbewusst denkt man sich: „Wenn ich schon den anderen nicht angreifen kann, dann mache ich mich eben selbst angreifbar.“ Und dann passiert etwas, das wir von den Geschichten mit den Spiegelneuronen kennen: Hat ein anderer Schmerzen, so werden auch unsere eigenen Schmerzareale im Gehirn aktiviert. Wird ein anderer wütend, so können wir selbst nachspüren, wie er sich wohl fühlt. Sagt ein anderer wütend seine Meinung, denken wir befriedigt: „Jawoll, gib’s ihm, genauso ist es.“ Vielleicht erledigt ein anderer für uns selbst einen wütenden Angriff und wir sind erleichtert, dass wir nicht selbst offen wütend werden mussten.

Wenn ein anderer angreift, müssen wir selbst nicht angreifen

Wenn wir selbst wütend sind und das nicht zeigen können, dann können wir uns dumm stellen, unsere „Schuld zugeben“ oder unsere Schwächen herauskehren. Der andere greift dann zwar uns selbst an, aber wir spüren die Befriedigung – wir spüren, wie es ist, wenn man angegriffen wird. Wir schauen aber dem anderen auch dabei zu, wie er uns angreift. Wir können nachempfinden, wie er sich als Angreifer fühlt und welche Befriedigung er daraus zieht. Zwar sind wir in dem Moment die Leidenden, aber aus diesem „Umdreh-Spiel“ ziehen wir auch irgendwie eine Befriedigung.

In der Psychoanalyse werden solche Zusammenhänge deutlich

In einer Psychoanalyse hat man die Chance, solche Mechanismen zu zerpflücken, die Einzelteile des Geschehens anzuschauen und sie zu verstehen. Wenn man dann die Mechanismen wirklich verstanden hat, fällt es viel leichter, sich vorzunehmen, demnächst nicht mehr so zu handeln. Sobald man die eigene Wut spürt, kann man dann andere Wege gehen und vielleicht doch seinen Ärger angemessen anbringen oder still verdauen.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 17.3.2013
Aktualisiert am 10.6.2016


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