Das kleine Kind und der alkoholkranke Vater. Das Mädchen ist ein echtes Mädchen. Es hat Wünsche und Phantasien und es entwickelt sich. Doch der Vater, er ist zu oft betrunken. Seine Bemerkungen, seine Berührungen sind ekelig, schleimig. Das Kind, es verbindet das alles: Seine Phantasien, seine Wünsche an den Vater, die ekeligen Berührungen und Worte des Vaters, die Lust und die Unlust und es weiß gar nichts mehr. Als das Mädchen erwachsen ist, fragt es sich: Bin ich pervers? Bin ich normal? Was bin ich? Wer bin ich? (Text: © Dunja Voos, Bild: © Rainer Sturm, www.pixelio.de)
Wünsche heften sich an – eine Gefahr
Nicht wenige Frauen, die als Erwachsene Probleme mit sich selbst, ihrem Körper und der Partnerschaft haben, kennen unangenehme Begegnungen mit dem Vater aus der Kindheit. Wieso sind sie so folgenreich? Die Psyche kann man sich bildlich ein bisschen wie “Material” vorstellen: Ein Stück der eigenen Psyche heftet sich als Wunsch an den Vater. Reagiert der Vater unangemessen, kommt dieses Stückchen Psyche sozusagen mit dem Gefühl “Ekel” zurück.
Wünsche heften sich an – eine Chance
Doch was dem Kind oder jungen Mädchen im Zusammensein mit dem ungesunden Vater schadete, kann im Erwachsenenalter in verschiedenem Ausmaß noch heilen. Einige Frauen haben das Glück, einen gesunden Partner zu finden und hier heilsame Erfahrungen zu machen. Doch viele Frauen, die mit einem alkoholkranken Vater großgeworden sind, sind entweder allein oder in einer unglücklichen Partnerschaft. Die Psychoanalyse bei einem gesunden Analytiker kann hier helfen: Im Laufe der Zeit können erneut Wünsche geweckt werden, doch diesmal heften sie sich an einen gesunden Mann. Und das ist eine Chance.
Intaktes bleibt intakt
Es wird auf einmal möglich, dass sich das Empfinden ändert. Phantasien, die vorher als ekelhaft, zweifelhaft, verboten und unteilbar erschienen, bleiben nicht mehr allein. Es kommt die neue Erfahrung hinzu. Die Erfahrung, dass Wünsche an den gesunden Mann als etwas Gutes zurückkommen: als etwas Lustbringendens, Natürliches, Fruchtbares, Teilbares, aber auch Sicheres. Der eigene Körper darf privat bleiben, unangetastet und intakt. Es kommen keine herabsetzenden Bemerkungen. Stattdessen Anerkennung der gesunden Wünsche. Der Wunsch an den gesunden Mann kommt zurück als gesundes Körperempfinden und als Heilung.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 4.4.2015
Aktualisiert am 3.12.2015