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Antidepressiva: SSRI und SRNI

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Zu den Antidepressiva (= Medikamente gegen die Depression) gehören die selektiven Serotonin- und/oder Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Reuptake Inhibitors, SRI). „Selektiv“ bedeutet, dass das Medikament auf den Stoffwechsel bestimmter Botenstoffe wirkt – zum Beispiel auf den Stoffwechsel von Noradrenalin (SNRI), Serotonin (SSRI) oder Serotonin und Noradrenalin gleichzeitig (SSNRI). SSRI sind dafür bekannt, dass es bei dem Versuch, sie wieder abzusetzen, zu Entzugserscheinungen kommen kann (siehe: SSRI Entzugssymptome). (Text: © Dunja Voos, Bild: © segovax, Pixelio)

Die Nervenzellen verständigen sich untereinander

Wenn Nervenzellen miteinander kommunizieren und Erregungen weitergeben, tun sie das über sogenannte Botenstoffe. Diese Botenstoffe sind zum Beispiel Noradrenalin oder Serotonin. Eine Nervenzelle schüttet Botenstoffe über ihre Nervenendigung, die sogenannten „Präsynapse“ aus, so dass der Botenstoff in den „synaptischen Spalt“ gelangt. In diesem Spalt zwischen zwei Nervenzellen kann der Botenstoff wirken und die nächste Nervenzelle erregen. Der Botenstoff ist dabei in ein kleines Bläschen, ein Vesikel, gehüllt. Bei einer Depression vermutet man ein „Zuwenig“ an freien Botenstoffen, wobei diese Hypothese immer wieder angezweifelt wird. Nach dieser Hypothese wird versucht, mithilfe der Medikamente die Konzentration dieser Stoffe im synaptischen Spalt zu erhöhen.

Recycling durch die Präsynapse

Die Nervenzelle, die den Stoff ausgeschüttet hat, nimmt ihn teilweise auch wieder auf – so kann der Botenstoff wiederverwertet werden. Sobald er aber wieder in die ursprüngliche Nervenzelle zurückgekehrt ist, steht er nicht mehr zur Erregung der nächsten Nervenzelle zur Verfügung. Daher will man mit Medikamenten versuchen, die Wiederaufnahme des Botenstoffes in die Endigung der ersten Nervenzelle (Präsynapse) zu verhindern. Da die Botenstoffe sich mit verschiedenen Rezeptoren verbinden, besetzen die Medikamente gezielt die Rezeptoren, die zur Wiederaufnahme notwendig sind. Somit kann der Botenstoff im synaptischen Spalt bleiben und an den Rezeptoren der nächsten Nervenzelle seine Wirkung entfalten.

Die SNRI

Zu den selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (Selective Noradrenaline Reuptake Inhibitors) gehören zum Beispiel diese Wirkstoffe:

• Reboxetin (z. B. Edronax®, Firma Pfizer oder Solvex®, Firma Merz)

Die SSRI

Die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonine Reuptake Inhibitors) nehmen Einfluss auf den Serotoninstoffwechsel des Nervensystems. Zu den SSRI gehören beispielsweise diese Wirkstoffe:

• Citalopram (Cipramil®, Firma Lundbeck)
• Fluoxetin (z.B. Fluctin®, Firma Lilly)
• Fluvoxamin (z.B. Fevarin®, Firma Solvay)
• Paroxetin (z.B. Seroxat®, Firma Glaxo SmithKline)
• Sertralin (z.B. Zoloft®, Firma Pfizer)

Die SSNRI

SSNRI sind selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmenhemmer. Der Wirkstoff beeinflusst also Serotonin und Noradrenalin gleichzeitig. Hierzu gehören zum Beispiel:

• Duloxetin (z.B. Cymbalta®, Firma Lilly)
• Venlafaxin (z.B. Trevilor®, Firma Pfizer)

Wirkung umstritten

Die Wiederaufnahmehemmer sollen verhindern, dass der Botenstoff wieder in die Nervenzelle aufgenommen wird, damit er nicht aus dem Zwischenraum verschwindet und somit weiterhin wirksam bleiben kann. So die Theorie. Doch verändert sich dadurch auch die Zahl der Andockstellen, der sogenannten Rezeptoren, an den Nervenzellen: Gab es vorher viele Rezeptoren an den Nervenzellen, die auf die Botenstoffe reagierten, so wird die Zahl der Rezeptoren reduziert, wenn ständig zu viel Botenstoffe im synaptischen Spalt liegen. Die Mechanismen, die durch Antidepressiva hervorgerufen werden, sind komplex und nicht immer vollständig geklärt. Kritische Berichte wie die des Arznei-Telegramms machen deutlich, dass die Wirksamkeit der Antidepressiva längst nicht so stark ist, wie oft behauptet wird:

„Neben der Diskussion um den Anstieg der Suizidalität unter Therapie mit Antidepressiva wird das Ausmaß der Wirksamkeit dieser Mittel zunehmend in Frage gestellt: Nach einer Analyse von 47 Studien, die der amerikanischen Aufsichtsbehörde zwischen 1987 und 1999 für die Zulassung von Citalopram, Fluoxetin, Nefazodon (NEFADAR, außer Handel), Paroxetin, Sertralin und Venlafaxin vorgelegt wurden, macht der Plazeboeffekt zwischen 68% und 89% des Verumeffektes* aus.“
*Verumeffekt = echte Wirksamkeit

Quelle: „Antidepressiva – lebensgefährliche Plazobos?“ arznei-telegramm 2005; 36: 45

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 30.7.2011
Aktualisiert am 16.11.2015


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