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Buchtipp: Jeannette Hagen: Die verletzte Tochter

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Wie weh tut es, erst spät zu erfahren, dass der „Vater“ nicht der leibliche ist? Wie erschütternd ist es, den biologischen Vater zu suchen und dann auf Ablehnung zu stoßen? Die Autorin Jeannette Hagen (geb. 1967) beschreibt in ihrem Buch „Die verletzte Tochter“, wie sich all das anfühlt und welche Folgen es für ein Mädchen und schließlich für die Frau hat, wenn der leibliche Vater fehlt und/oder nichts mit der Tochter zu tun haben will. Sie schreibt ihre eigene Geschichte und verknüpft diese mit wissenschaftlichen Erkenntnissen rund um das Thema „Vaterentbehrung“.
(Rezension: Dunja Voos; Bild: © Scorpio-Verlag)


Ist die Wahrheit gut?

Die Zweifel, die Jeannette Hagen immer wieder quälten, kennen wohl viele Betroffene, denen es ähnlich erging und ergeht:

„Ich habe mich oft gefragt, ob es besser gewesen wäre, ich hätte die Wahrheit überhaupt nicht erfahren, ob das etwas geändert hätte, mir zumindest ein paar der seelischen Verletzungen erspart hätte. Nein, hätte es nicht. Einige Psychologen sagen, dass wir instinktiv spüren, wenn etwas mit unserer Ursprungsfamilie nicht stimmt“ (S. 29).

Fehlt der Vater, fehlen die Eltern

Vaterlosigkeit heißt, dass dem Kind nicht nur der Vater fehlt, sondern auch das Elternpaar, also die Beziehung, die Mutter und Vater miteinander haben. Für das Mädchen ist der Vater die erste große Liebe. Was das bedeutet, beschreibt Jeannette Hagen unter anderem anhand der psychosexuellen Entwicklung gemäß der psychoanalytischen Theorie. Sie zeigt auf, wie Töchter mit unsicheren Vater-Beziehungen oft lange im Leben herumirren, bevor sie den Beruf finden, der ihnen zusagt. Ja sogar Geldprobleme können sich oft auf eine unsichere Vater- bzw. Elternbindung zurückführen lassen. Die Tochter wird vom Vater in ihrer Weiblichkeit bestätigt. Fehlt der Vater oder ist die Beziehung problematisch, kann dies unter anderem zu einer unsicheren Weiblichkeit beitragen.

In der Phantasie gibt es den Vater immer

Jeannette Hagen zweifelt es an, wenn Frauen sagen, der Vater sei ihnen egal. Sie zitiert den Psychoanalytiker Hans Geert Metzger, der sich auf das Thema „Vater“ spezialisiert hat und der sagt: „Es gibt kein vaterloses Kind“ (Metzger, zitiert auf S. 65). Jedes Kind mache sich Phantasien darüber, wie der echte Vater wohl aussieht und welche Persönlichkeit er hat. Der fehlende und/oder abweisende Vater kann eben eine „Verletzte Tochter“ zurücklassen. Es bleiben Gefühle des Zweifels, der Leere, der Unordnung und Unsicherheit. Viele begeben sich auf einen langen und mühsamen Weg. Beeindruckend schildert Jeannette Hagen unter anderem zwei Erlebnisse aus ihrer eigenen Gestalttherapie (S. 133-141), aus der sie grundsätzliche Einsichten gewonnen hat, die ihr die Weiterentwicklung ermöglichten.

Wir sind verschieden

Jeannette Hagen lässt auch die Probleme nicht aus, die übertriebene Emanzipationsbewegungen mit sich gebracht haben. Sie gibt am Ende des Buches einen hoffnungsvollen Ausblick:

„Wir sind sogar schon einen Schritt weiter, haben uns in unserer Verschiedenheit erkannt. Nun sollte es doch eigentlich nur noch ein Katzensprung dahin sein, dass wir die Verschiedenheit als etwas Großes, als Kraftquelle anerkennen, damit beide Geschlechter respekt- und liebevoll miteinander dieses Leben auf der Erde feiern.“
Jeannette Hagen ist selbst Mutter dreier Kinder und arbeitet als freie Autorin und systemischer Coach in Berlin: www.jeannette-hagen.de
Fazit
Jeannette Hagen hat einen wunderbaren Weg gefunden, ihre Geschichte offen zu erzählen. Sie schreibt gefühlvoll, sodass sich Betroffene verstanden fühlen können, bleibt aber immer in der Spur.

Buch:

Jeannette Hagen
Die verletzte Tochter
Wie Vaterentbehrung das Leben prägt
Klappenbroschur, 240 Seiten
Scorpio-Verlag GmbH München, 2015
ISBN 978-3-95803-023-7, WG 1933
16,99 € (D) / 17,50 € (A)


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