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Open-Window-Phänomen: Zu wenig Bindung macht kleine Kinder infektanfällig

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Zwar kommen Viren oft einfach so angeflogen. Aber ob wir uns erkälten oder nicht, ist nicht nur eine Frage der Viren. Infektionen sind immer eine Frage von “Resistenz und Virulenz”. Das heißt einerseits: Je aggressiver ein Virus, desto leichter erwischt er uns (“hohe Virulenz” des Virus). Andererseits heißt es: Je resistenter wir sind, desto schwerer fällt es den Viren, uns anzugreifen (“hohe Resistenz” des Menschen). Wir wissen aus dem Alltag, dass Stress uns anfällig für Infekte machen kann. Diesen Mechanismus bezeichnen Wissenschaftler als “Open-Window-Phänomen”: Das Immunsystem fährt bei Stress herunter und öffnet Keimen Tür und Tor. (Text: © Dunja Voos, Bild: © Carolin Daum, Pixelio)

Beziehungsstress macht krank

Wir Erwachsenen leiden unter Stress, wenn zu viele Anforderungen an uns gestellt werden – aber auch, wenn wir zum Beispiel Probleme in der Partnerschaft haben. Kleinkinder geraten besonders dann in Stress, wenn wir Erwachsenen ihnen zu viele Trennungen zumuten. Wenn die Lieblingskindergärtnerin Urlaub hat oder das Kind länger in der Kita bleiben muss, als es verkraften kann, dann wird es infektanfällig.

Das Kind signalisiert: Ich brauche mehr Nähe

Mithilfe eines Infektes holt sich das Kind wieder die Nestwärme, die es braucht. Manche Kinder gehen “problemlos” in die Kita und sie gehen gerne dorthin. Andere jedoch zeigen deutlich, dass ihnen die Trennung zu viel ist. Und das ist auch völlig normal bei kleinen Kindern. Ihnen geht es wahrscheinlich genauso: Es fällt Ihnen schwer, sich von Ihrem Kind zu trennen und es weinend in der Kita zu lassen. Das ist gesund und “mütterlich” – und keineswegs “krank”, “gluckig” oder “symbiotisch”, wie viele Mütter es heute angedeutet bekommen.

Gemeinsame Zeit guten Gewissens genießen

Wenn Sie merken, dass Ihr Kind und Sie sich mit der Trennung schwer tun und wenn Ihr Kind zudem dauernd krank ist, schauen Sie einmal, ob Sie für eine Weile mehr Zeit mit Ihrem Kind verbringen können. Vielleicht will Ihr Kind auch einfach nur zu Hause bei Ihnen sein, so dass es selbst spielt und Sie Ihren Dingen nachgehen können. Genießen Sie diese Situation – sie lässt sich oft nicht absichtlich herbeiführen, sondern entsteht spontan. Aber man kann versuchen, einen Rahmen zu schaffen, in dem diese entspannte Situation entstehen kann, denn sie ist eine wichtige Erfahrung für das Kind (und für die Mutter auch). Der Kinderpsychoanalytiker Donald Winnicott sagte, hier zeige sich die Fähigkeit des Kindes, “im Beisein der Mutter alleinsein” zu können. Gönnen Sie sich diese Zeit guten Gewissens. Natürlich ist das beruflich manchmal kaum einzurichten – das Geld will verdient werden, das Berufsleben ist hart. Doch wenn Sie es sich leisten können und wenn Sie es auch wollen, versuchen Sie, die Kindergartenzeit zu reduzieren. Sie werden vielleicht erstaunt sein, wie sich Ihr Kind stabilisiert und auch über eine längere Strecke gesund bleibt. Die Psychoanalytikerin Ann-Kathrin Scheerer sagt treffend:

“Krippenkinder sind infektanfälliger als “Familienkinder” – das ist lange bekannt, und wird immer noch allzu häufig als “willkommene Immunisierung” rationalisiert. Man muss aber jeweils differenzieren, ob die Krankheitsanfälligkeit nicht in vielen Fällen eher ein psychosomatisches Stressymptom darstellt.” (Ann-Kathrin Scheerer: “Krippenbetreuung als ambivalentes Unternehmen”. Psychoanalyse-aktuell, Oktober 2008)

Natürlich fliegen in der Kita besonders viele Keime herum. Die Infektanfälligkeit, die durch “Bindungsmangel” hervorgerufen wird, sollte jedoch nicht unterschätzt werden – besonders dann, wenn eine Kita personell schlecht ausgestattet ist oder wenn in einer Kita das Personal selbst unter einem schlechten Klima leidet.


Links:

Harriet J. Vermeer & Marinus H. van Ijzendoorn (2006):
Children’s elevated cortisol levels at daycare: A review and meta-analysis.
Early Childhood Research Quarterly, 21, 390-401; doi: 10.1016/j.ecresq.2006.07.004
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0885200606000421

Hardy AM, Fowler MG (1993):
Child care arrangements and repeated ear infections in young children.
(Division of Health Interview Statistics, National Center for Health Statistics, Hyattsville, MD 20782)
Am J Public Health, September 1993; 83(9): 1321–1325


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Dieser Beitrag erschien erstmals am 28.8.2011
Aktualisiert am 1.6.2015


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